Ihre persönliche Autoberatung
0800 - 40 30 182
(motorsport-magazin.com) Seit Mitte der 70er haben Zweitakter die 500er-Klasse dominiert, dann kamen Ende 2001 die Viertakter. Was sind die Charakteristika und die Unterschiede bei den beiden Technologien?
Pietro Caprara: Die Unterschiede zwischen den beiden Motoren haben Auswirkungen auf Konstruktion und Mechanik und es gibt auch Umwelt-Implikationen, die Maschinen werden anders gefahren und auch die Bau- und Wartungskosten sind anders. Mechanisch ist der Zweitakt-Motor einfach. Der Kolben öffnet durch seine Auf- und Ab-Bewegung den Einlass und den Auslass, durch die das Gemisch aus Luft/Benzin herein und die Abgase hinaus gelassen werden. Im Vergleich dazu ist der Viertakt-Motor komplexer und schwerer als sein Zweitakt-Equivalent. Der obere Teil des Motors ist der Kopf, der die Einlass- und Auslass-Ventile hält, die durch die Nockenwelle angetrieben werden. Die Motorkraft kommt vom Benzin, dass durch die Brennstoffdüsen in den Motor geschossen wird.
Die Schmierung des Zweitakt-Motors, der Kurbelwelle und der Verbindungsgestänge wird dem Benzin überlassen. Die Kraft wird normalerweise vom Vergaser verwaltet, der eine mechanische Funktion ausführt, die üblicherweise durch den Unterdruck kontrolliert wird, der durch die Bewegung des Kolbens erzeugt wird. Die Schmierung der verschiedenen Mechanismen eines Viertakters wird dem Öl überantwortet und das kann in einem Reservoir gesammelt werden, das im unteren Teil des Motors liegt und auch Ölsumpf genannt wird. Es kann entweder ein nasser oder ein trockener Sumpf sein, abhängig davon, ob das Öl in einem separaten Tank gesammelt wird.
Wie haben diese Unterschiede die Arbeit in der Box verändert?
Pietro Caprara: Die Wartung und der Wechsel eines Zweitakt-Motors sind ganz anders als bei einem Viertakter und können komplett an der Strecke gemacht werden, da die Konstruktion recht simpel ist. Diese Dinge wurden früher vom Team gemacht, sogar bei den Satelliten-Mannschaften. Die Wartung der Viertakter ist komplex und nur Werks-Techniker dürfen an dem Motor arbeiten. Mechaniker von Satelliten-Teams dürfen nur Wartungsarbeiten vornehmen, die nicht das Öffnen des Motors verlangen.
Wir wirken sich die technologischen Unterschiede bei diesen beiden Aggregaten auf das Gefühl beim Fahrer aus, der sie verwendet?
Pietro Caprara: Die Eigenart des Zweitakt-Motors ist prinzipiell, dass er sehr wenig Drehmoment am unteren Drehzahlende bringt, aber sehr viel bei hoher Drehzahl. Bei den 500ern war es so, dass das maximale Drehmoment sehr nahe bei der maximalen Kraft am Drehzahlmesser lag. In der modernen MotoGP ist der Ausstoß an Kraft und Drehmoment linearer und progressiver, also lässt es sich besser ausnutzen und das Kraftband ist breiter als bei einer Zweitakter. Um dem Zweitakter mehr Flexibilität zu geben, wurden Auspuffventile eingeführt, um den Bereich zu dehnen, an dem die Kraft und das Drehmoment kamen, wodurch man mehr Vortrieb bekam, wenn man das Gas öffnete. Die Unterschiede auf der Strecke waren, dass man nun am besten mit der Maschine fuhr, wenn man geschmeidig am Gas war und auch durch die Kurven. Die Maschine hatte fast keine Motorbremse und das Gewicht war auch niedriger.
In der MotoGP kann man die geschmeidige Bahn verlassen, da man so viel mehr Drehmoment und Kraft hat. Man kann aus der Kurve weg und hinaus beschleunigen. Mit der 500er war die Beschleunigung die heikelste Phase, denn die Gewalt, mit der die Kraft kam, hieß, dass ein Fahrerfehler sofort die Haftung des Hinterrades kosten würde und ein klassischer Highsider gefolgt wäre. Die Zweitakt-Maschinen verlangten Gefühl vom Fahrer, vor allem auf dem Gas. Bei den Viertaktern wird die recht große Menge an Kraft durch das Elektronik-Management und die Traktionskontrolle kontrolliert. In diesem Jahr haben sich die Neueinsteiger in der MotoGP-Klasse, die aus der 250er kamen, schnell angepasst und gute Ergebnisse geholt, obwohl sie generell jene Fahrer waren, die in der Kategorie die Besten waren, die sie gerade verlassen haben.
2002 war das Jahr, in dem die MotoGP mit Viertaktern debütiert hat. Die Zweifel und Vorurteile sind nun weg, aber was ist der Unterschied, wenn man in der Box damit arbeiten muss?
Pietro Caprara: Seit Beginn dieses ‚Abenteuers‘ gab es Unbekannte, nicht nur bei der Entwicklung der Maschine, sondern die neue Technologie verlangte auch eine andere Art, wie das Team arbeitete. Aus operativer Sicht funktionieren die Dinge in der Box etwas anders; bei Viertaktern wird man an Dingen oder Parametern arbeiten, die bei den Zweitaktern nicht so präsent waren. Das typische Beispiel ist das Elektronische-Managementsystem, das bei den Viertaktern entscheidend ist, wohingegen man bei den Zweitaktern eher Zeit damit verbrächte, den Motor aufzumachen und Zylinder und Kolben zu wechseln. Heute konzentrieren sich die Techniker und Mechaniker viel mehr auf die Entwicklung und das Setup der Maschine und auf die Reifen.
Es macht den Eindruck, dass die Arbeit in der Box abgenommen hat und dass nun alles von Elektronik-Spezialisten delegiert wird. Stimmt das?
Pietro Caprara: Wir arbeiten nicht weniger, nur weil wir weniger mit dem Motor zu tun haben. Stattdessen haben sich die Bereiche geändert, an denen wir arbeiten. Wir arbeiten hart und die Fähigkeiten der Mechaniker, sowie die wettbewerbsorientierte Natur unserer Arbeit bedeuten, dass die Fahrer wichtige Bruchteile von Sekunden jagen und wir müssen deswegen auch die kleinsten Details beachten. Auch eine Zehntelsekunde ist auf der Strecke wichtig. Das ist der Wettbewerb, der auch innerhalb der Box stattfindet.
Wie war der Wechsel von 990cc auf 800cc?
Pietro Caprara: Als die 990er-Maschinen kamen, gab es viel Unsicherheit, was die Konkurrenzfähigkeit der Motorräder betraf, aber wir haben bald gesehen, wie die Leistung explodiert ist und das führte zu einer Reduzierung der Motorkapazität – alles im Namen der Sicherheit der Fahrer, da es so aussah, als wäre die Kraft nur schwer zu handhaben. Seit dem Wechsel kann man auf die Stoppuhr schauen und die Zeiten sind gleich wie bei den 990ern. Dabei hat aber schon die Einführung von wichtigen Elektronik-Komponenten geholfen. Sicherheit ist ein Faktor, dem die Teams, die Fahrer, die Dorna und die IRTA mehr Aufmerksamkeit gewidmet haben.
Motor, Reifen und Aufhängung sind drei Parameter, die miteinander auf die Bedürfnisse der Fahrer abgestimmt werden müssen. Können Sie ein besonders wichtiges Teil bei diesen Elementen finden?
Pietro Caprara: Die Aufhängung und die Reifen haben sicher eine wichtige Rolle und müssen in Balance miteinander arbeiten. Und – vor allem angesichts der Vorteile, die wir mit den Reifen von heute haben – das Setup der Maschine muss sehr sorgfältig gemacht werden. Die Rolle des Motors ist auch nicht weniger wichtig, aber durch die Einführung der Viertakter ist das Elektronik-Management der Kern, um die Leistung der Reifen und der Aufhängung zu maximieren.
Wir hören oft, dass es die perfekte Maschine nicht gibt, sondern der Fahrer sich der Maschine anpassen muss, damit die Ergebnisse kommen…
Pietro Caprara: Ja, das ist wahr, aber man kann einen guten finalen Kompromiss finden. Generell versuchen wir ein ausbalanciertes Motorrad zu finden, dessen Basis auf allen Strecken funktioniert. Sicher ist es besser, eine Maschine zu haben, die anpassbar ist, als eine, die nur bei bestimmten Bedingungen 100 Prozent gibt. Ein talentierter Fahrer ist ein Element, das in diesen Kontext noch dazugehört und er sollte in der Lage sein, Lücken in der Maschine zu überdecken und Probleme zu umfahren.
Im Zeittraining kämpfen es die Fahrer in den letzten 20 Minuten untereinander aus und jagen mit Qualifyiern um den Kurs. In nur einer Runde muss ein Fahrer sein Maximum geben. Wie passen Sie die Maschine dafür an und wie viel muss da vom Fahrer selbst kommen?
Pietro Caprara: Die Vorbereitung der Maschine ändert sich nicht so sehr wie man glauben mag, was ihre Geometrie betrifft. Die Aufhängung wird so verwendet wie im Rennen, aber vielleicht etwas härter eingestellt, damit der Qualifyier etwas mehr ausgenutzt wird, der nur eine Runde oder manchmal eineinhalb Runden gebraucht wird. Es ist eher der Fahrer, der seinen Stil ändert, um den höheren Grip auszunutzen, der oft ganz anders ist als auf dem Gummi im Rennen. Denken Sie darüber nach, wenn der Fahrer auf Qualifyiern in jeder Kurve eine Zehntel gutmachen kann und die Strecke zehn Kurven hat, dann wäre er bei einer perfekten Runde eine ganze Sekunde schneller. Der Fahrer, der den Vorteil der Qualifyier besser ausnutzen kann, holt theoretisch Pole.
adrivo Sportpresse GmbH
geschrieben von veröffentlicht am 25.08.2008 aktualisiert am 25.08.2008
Auf auto.de finden Sie täglich aktuelle Nachrichten rund ums Auto. All das gibt es auch als Newsletter - bequem per E-Mail direkt in Ihr Postfach. Sie können den täglichen Überblick zu den aktuellen Nachrichten kostenlos abonnieren und sind so immer sofort informiert.