Supersportler neu interpretiert
Das „Split Face“ – die charakteristische Front der Supersportler S 1000 RR, HP4 und S 1000 R – hat er neu interpretiert. „Die typische Asymmetrie ist erst im Inneren der Scheinwerfer erkennbar“, erklärt der Ex-Interieur-Designer von Audi. In der Mitte der beiden H7-Leuchten sorgt auf Wunsch ein LED-Tagfahrlichtstab (290 Euro) für Aufsehen und Aufmerksamkeit. Der kurze Schnabel zitiert das Erfolgsmodell R 1200 GS, „ist aber subtiler, eleganter“, befindet Martin. Andere würde sagen: spitzer. Eher Wespe als Habicht.
Wie dem auch sei: BMW baut seine Vierzylinder-Supersportler-Familie mit der S 1000 XR konsequent aus. Und platziert Ableger Nummer vier dort, wo BMW-GS-Fans bislang vergeblich hingeschielt haben – im Beschleunigungs-Olymp: 3,1 Sekunden von null auf 100 km/h, 8,8 Sekunden von null auf Tempo 200. Das ist eine klare Ansage. Und ein Frontalangriff auf Ducati und seine Multistrada. Die hochbeinige BMW soll kräftig wildern im Revier der hubraumstärkeren Italo-Renn-Enduro (1198 ccm, 160 PS). Wie schon bei der „RR“ gehen die Bayern von einer hohen Eroberungsquote beim Wettbewerb aus. Und vom Reaktivieren klassischer BMW-Fans, die mit dem eher niedrigtourigen, kultivierten GS-Boxer nicht recht warm wurden.
„Die neue S 1000 XR schreibt die Kapitel von Sport bis Touring in neuartiger, eigener Weise fort und kombiniert sie mit einem kräftigen Schuss Emotion“, beschreibt Bernd Scherer, Baugruppenleiter BMW Motorrad, das Konzept. Dynamische Langstreckenqualitäten, ernstzunehmendes Sporttalent, souveräne Alltagstauglichkeit – dieser Mix dürfte aufgehen. Rund 8000 Einheiten peilt BMW selbstbewusst fürs erste volle Verkaufsjahr (2016) an, macht Rang sieben bis acht in der Modellpalette. Dieses Jahr könnten es noch gut 3000 Einheiten werden: Die Saison läuft bereits, offizielle Markteinführung ist am 13. Juni. Am 1. April 2015 startete die Produktion im Werk Berlin.
Technisch baut der Vierzylinder-Renner im Cross-Gewand auf dem Konzept seiner Geschwister auf. Leichtmetall-Brückenrahmen, Motor als mittragendes Element, einstellbare Upside-down-Gabel vorn, Zweiarm-Schwinge mit justierbarem Zentralfederbein hinten. Die Fahrwerksgeometrie hat BMW Motorrad entsprechend angepasst: Der Radstand wurde im Vergleich zur S 1000 R um gut elf Zentimeter auf 1439 mm verlängert, die Federwege legten um 20 bis 30 mm zu. Beides zahlt auf den Fahrkomfort und die Authentizität der Optik ein.
Ernsthaft ins Gelände wird sich mit der S 1000 XR sicher keiner aufmachen, trotz der erhöhten Bodenfreiheit und des überschaubaren Gewichts (228 kg, fahrbereit). Einen leistungsreduzierten „Enduro“-Fahrmodus nach Vorbild der Multistrada hat sich BMW daher gespart. Das Terrain der extrem agilen und fahrdynamischen XR ist die Straße. Je kurvenreicher, umso besser. Alternativ darf es gerne mal konsequent geradeaus gehen – auch das macht Laune auf der XR.
Die Marschrichtung erinnert an die Sports Activity Vehicle BMW X5 M und X6 M: SUV-Optik trifft Leistung im Überfluss. Hier geht es um High-Performance. Sanft gleiten kann die XR natürlich auch, schon bei 60 km/h reicht der sechste Gang, um souverän und ohne Murren davonzuziehen. Aber wer das dauerhaft will, setzt hier aufs falsche Bike: Die S 1000 XR will gefordert werden.
Ab 3.500 Touren schlägt der Sound hörbar um, von nasal grummelnd in furios grollend und letztlich enthemmt kreischend. Bis zur Höchstdrehzahl von 11 000 Umdrehungen hängt die S 1000 R famos am Gas. Das maximale Drehmoment (118 Newtonmeter) liegt bei 9250 Touren an. Bei 250 km/h regelt BMW sein Adventure-Sport-Bike ab. Der Ritt bis dahin ist sagenhaft. Für Statistiker: Von null auf 100 nimmt die XR der S 1000 R (3,2 s.) eine Zehntelsekunde ab.
Traktionskontrolle (Automatic Stability Control/ASC), Race-ABS und zwei Fahrmodi sind serienmäßig. „Rain“ drosselt die Leistung auf 148 PS, „Road“ sorgt für einen moderaten Kompromiss zwischen Komfort und...