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Beim Thema Elektro-Mobilität zeigt Bundeskanzlerin Angela Merkel unerschütterlichen Optimismus. Obwohl erst ein paar Tausend Pkw mit elektrischem Antrieb auf bundesdeutschen Straßen unterwegs sind, beharrt sie darauf, dass es 2020 eine Million sein werden. Auf dem Weg zur breit aufgestellten E-Mobilität müssen Fahrzeughersteller und Zulieferer freilich noch ganz neue Wege bei Antrieb und Fahrzeugen gehen. Dazu zählen Radnabenmotoren, an denen beispielsweise Schaeffler arbeitet.
Das aktuelle Konzept von Pkw mit Verbrennungsmotoren mit Metallkarosserie, Motor und Antriebsstrang lässt sich für alltagstaugliche Elektro-Fahrzeuge mit vergleichbarer Leistung und Reichweite nicht umsetzen. Der Antrieb bildet eine der Schlüsseltechnologien. Aufbau und Arbeitsweise von Elektromotoren erlauben ganz neue Wege der Form und Anwendung. Die Entwickler von Zulieferer Schaeffler aus Herzogenaurach konzentrieren sich derzeit auf den sogenannten „Radnabenmotor“. Dieser Motor lässt sich komplett in das Rad eines Autos integrieren. Dadurch entfallen raum- gewichtsintensive Elemente wie Kraftübertragung mit Getriebe, Differential und Antriebswellen oder Bremsen.
Die Herzogenauracher nennen ihren elektrischen Radnabenantrieb „E-Wheel Drive“. Die erste Generation kam 2010 in einem Opel Corsa zum Einsatz. Beim aktuellen Radnabenantrieb der zweiten Generation sind sämtliche für Antrieb, Verzögerung und Fahrsicherheit notwendigen Bauelemente wie Elektromotor, Leistungselektronik und Controller, Bremse sowie Kühlung innerhalb der Felge verbaut. Die praktischen Erprobungen nutzen ein Entwicklungsfahrzeug auf Basis eines Ford Fiesta.
Die technischen Eckdaten liegen bei bis zu 40 kW pro Antrieb, beziehungsweise einer Dauerleistung von zweimal 33 kW, das entspricht bis zu 110 PS beziehungsweise 90 PS. Der Radnabenantrieb der zweiten Entwicklungsstufe ist flüssigkeitsgekühlt und liefert ein Drehmoment von bis zu 700 Nm. Damit verfügt der aktuelle „E-Wheel Drive“ gegenüber dem Opel Corsa von 2010 über ein Drittel mehr Leistung und ein um 75 Prozent höheres Drehmoment. Die elektrische Spannung des Hochvoltantriebs beträgt 360 Volt bis 420 Volt. Die physikalische Eigenschaft eines Elektromotors, bei umgekehrter Drehrichtung als Dynamo zu arbeiten, eröffnet zudem die Möglichkeit der Energierückgewinnung; beim Verzögern beispielsweise. Darüber hinaus verbessert der Wegfall der gesamten konventionellen Antriebselemente mit seinen mechanischen Reibungsverlusten den Wirkungsgrad des E-Antriebs signifikant. Der Wirkungsgrad bezeichnet die Fähigkeit, die im Strom gebundene Energie in Antriebsleistung umzusetzen.
Mit 53 Kilogramm beträgt das Mehrgewicht des Radnabenantriebs gegenüber einem herkömmlichen Rad mit Radlager und Bremse 45 Kilogramm. Das Bauvolumen von 16 Litern findet in einer normalen 16-Zoll-Felge Platz.
Für Elektrofahrzeuge schafft der Radnabenantrieb eine bislang ungekannte Raumökonomie, da alle für Vortrieb, Bremsen und Fahrsicherheit relevanten Bauteile im Rad untergebracht sind. In der Fahrzeugplattform bleibt damit der maximale Platz für Passagiere, Gepäck sowie Batterie, Elektronik und Kommunikation. Somit bietet sich für Autohersteller die Möglichkeit, auf einer Plattform die unterschiedlichsten Fahrzeugkonzepte zu entwickeln.
Auf die Frage: Wer es erfunden hat, dürfen die Ingenieure in Herzogenaurach freilich nicht den Finger heben. Der Radnabenmotor feierte bereits bei der Weltausstellung 1900 in Paris seine Premiere; entwickelt hatte ihn Ferdinand Porsche. Der damals 25-jährige Ingenieur hatte zwei Radnabenmotoren in ein Fahrzeug des Herstellers Lohner aus Wien integriert. Das Auto trug den lateinischen Namen „Semper Vivus“ („Stets lebendig“ oder „immer lebendig“). In der Patentschrift Nr. 19645 des österreichischen Patentamts waren ein „Antriebslenkrad mit Elektromotor“ eingetragen. Der „Semper Vivus“ erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von etwa 50 km/h und eine Reichweite von 50 Kilometern mit einer 410 Kilo schweren Bleibatterie.
Das Gewicht der Batterie und die schwierige Lenk- und Fahrbarkeit des ersten Radnaben-Autos verhinderten für mehr als ein Jahrhundert die praktische Anwendung des Antriebs. Und bis das erste Auto mit einem Radnabenmotor die Serienreife erlangt, müssen die Entwickler noch weitere grundlegende Probleme lösen. Dazu gehört die Reduktion des Gewichts eines angetriebenen Rads als sogenannte „ungefederte Masse“. Zu den ungefederten Massen zählen neben Rädern, Achsen, Radlagern, Bremsen auch Teile der Aufhängung wie Stoßdämpfer, Federn, Stabilisatoren. Für eine präzise wie sichere Radführung und optimalen Komfort ist ein möglichst geringes Gewicht dieser ungefederten Massen erforderlich.
Weitere Probleme resultieren aus dem Umstand, dass die Räder eines Fahrzeugs grundsätzlich diejenigen Komponenten sind, die den größten Belastungen durch Niederschläge, Temperaturunterschiede, Stöße und Krafteinwirkung ausgesetzt sind. Bis Radnabenmotoren quasi immun gegen diese Beeinträchtigungen sind, haben die Entwickler noch für Jahre ansprechende Hausaufgaben, die zu lösen sind, bis der revolutionäre E-Antrieb im Rad seine Serienreife erlangt hat. Allem Optimismus von Kanzlerin Merkel zum Trotz.
geschrieben von auto.de/(tl/mid) veröffentlicht am 29.05.2013 aktualisiert am 29.05.2013
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Gast auto.de
Mai 29, 2013 um 10:35 pm UhrBis jetzt haben sich die Elektro Autos noch nicht durchgesetzt, weil es zu viele offen Fragen gibt. Wenn man diese nicht lösen kann wird auch das laute Schreien von Frau Merkel nichts bringen. Schaeffler arbeitet intensiv an Lösungen für Probleme, ob aber alles innerhalb der nächsten 5 Jahre geschieht ist fraglich.