Reisebus: Ohne Gurt ein Drittel weniger Entschädigung

Bei einer Fahrt mit dem Reisebus gilt: unbedingt anschnallen. „Kommt es zu einem Unfall und wird der Reisende verletzt, darf die Versicherung hohe Abzüge machen“, warnt Michael Burmann, von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltsverein (DAV). Einen 30-prozentigen Mithaftungsanteil hat beispielsweise das Oberlandesgericht Hamm (Az.: 6 I-U 187/11) bei einer schwer verletzten Busreisenden bestätigt. Die Betroffene gab zu, dass sie bewusst auf den Gurt verzichtet hatte. Damit musste das Opfer auf Schmerzensgeld in Höhe von rund 43 000 Euro verzichten. „Europaweite gilt eine Gurtpflicht bei der Fahrt mit einem Reisebus. Viele Kunden kennen diese Pflicht nicht einmal“, sagt Burmann.

Vorwürfe erhebt der Verkehrsanwalt zudem gegen Busbetreiber. Nach seiner Erfahrung gibt es immer noch Unternehmen, die die Gurte im Sitz verstecken und die Reisenden nicht auf die Gurtpflicht hinweisen. Dadurch gestaltet sich die Reise angeblich angenehmer. Tatsächlich werden die Reisenden jedoch erheblich gefährdet. „Aus Crashversuchen und Realunfällen wissen wir, dass die Passagiere mit Gurt deutlich sicherer sind“, bestätigt Michael Weber, Leiter des Instituts für Unfallanalysen aus Hamburg (ifu).

Nicht angeschnallte Passagiere schleudern im Bus herum, wenn es zu einem Auffahr- oder Umkippunfall kommt. Schon Beinaheunfälle sind gefährlich. Extrem gefährdet sind Personen, die während der Fahrt im Bus stehen. Businsassen verletzten sich nämlich oft schon dann schwer, wenn das Fahrzeug keinen Unfall hat, sondern lediglich abrupt bremst oder einem Hindernis ausweicht. Dies hat eine Analyse der Unfallforschung der Versicherer (UDV) ergeben. „Bei Linienbussen werden auch ohne tatsächlichen Unfall die Passiere meist bei der Fahrt verletzt“, erläutert UDV-Leiter Siegfried Brockmann. Grund seien in aller Regel Stürze von im Bus stehenden Personen. Vor allem ältere Menschen könnten sich meist nicht halten, wenn der Bus plötzlich stark bremst oder scharf in die Kurve geht.

Technische Hilfsmittel könnten Busse sicherer machen. So sollten wichtige Daten wie die Geschwindigkeit dem Busfahrer direkt auf der Windschutzscheibe angezeigt werden. Große Vorteile versprechen sich die Experten zudem von Notbremssystemen, die ab 2013 in Reisebussen Pflicht werden. Problematisch ist hingegen, dass die Ursache vieler Busunfälle im Dunkeln bleibt. Zwar schätzen die Unfallforscher, dass überwiegend menschliches Versagen der Fahrer zum Unfall führt. Doch welche Fehler die Fahrer aus welchen Gründen genau machen, lässt sich später oft nicht mehr feststellen. Ein Grund: „Die Unfallschreiber in Bussen sind unzureichend“, so Gutachter Weber. „Moderne Geräte können jede Brems- oder Lenkbewegung sowie die Instrumentenbedienung aufzeichnen“, erläutert der Unfallanalytiker. Sie müssen daher in Reisebussen Pflicht werden. Noch weiter geht DAV-Anwalt Burmann: „Ich fordere für alle Autos die Einführung eines Unfalldatenschreibers.“ So könnten endlich Unfallopfer ihre Ansprüche sicher beweisen. Dies werde nämlich durch moderne ABS-Systeme immer schwieriger. Es gebe kaum noch Bremsspuren. „Daher ist es oft nicht mehr feststellbar, ob der Unfallgegner mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist“, warnt Weber.

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