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Mercedes-Benz
Die Statistik spricht eine deutliche Sprache: Immer noch sterben in den USA überdurchschnittlich viele Jugendliche nach einem Autounfall. „Wir haben mehr Opfer in Straßenverkehr als durch Krankheiten, Kriminalität oder Selbstmord. Der Straßenverkehr unter Teenagern ist Todesursache Nummer Eins“, klagt Carolyn Duchene.
Schuld daran ist in ihren Augen vor allem die miserable Fahrausbildung. Dass die Straßen voller sind, der Verkehr dichter ist, die Autos schneller fahren und die Technologie immer komplexer wird, darauf nehmen die kalifornischen Gesetze keine Rücksicht: „Seit 1949 hat sich bei uns am Weg zum Führerschein nichts Grundlegendes geändert“, klagt die Amerikanerin und will damit jetzt endlich mal anfangen. Denn Duchene ist die Leiterin der Mercedes Driving Academy in Los Angeles, die man nicht mit einem gewöhnlichen [foto id=“401600″ size=“small“ position=“left“]Fahrertraining-Seminar verwechseln darf: Ihr kleiner Glaspalast in der West 3rd Street ist kein Trainingslager für angehende Rennfahrer, sondern die erste eigene Fahrschule eines Automobilherstellers.
„Wenn wir es ernst meinen mit unsere Vision vom unfallfreien Fahren, dann dürfen wir uns nicht nur um die Autos kümmern, dann beginnt die Arbeit beim Fahrer“, sagt Duchene. Und weil man damit gar nicht früh genug anfangen kann, sitzen jetzt die ersten Teenager im Klassenraum und machen bei Mercedes ihren Führerschein. Der ist in Kalifornien genauso gestaffelt, wie bei uns in Deutschland. Allerdings sind die Hürden sehr viel niedriger. Mit 15 geht man zur Fahrschule und macht ein bisschen Theorie und noch weniger Praxis, dann darf man mit 16 ins Auto, erläutert die Chefin. Zwei Jahre lang fährt man quasi auf Bewährung, hat aber anders als beim deutschen „Führerschein mit 17“ nicht immer einen Begleiter an Bord. Nur 40 Stunden bei Tag und 10 bei Nacht müssen die Eltern in diesen zwei Jahren auf den Nachwuchs am Steuer aufpassen, damit sie mit 18 ihre Prüfung ablegen und den endgültigen Führerschein bekommen können. Die restliche Zeit fahren die Kids allein.
Weil dieses Procedere bei den meisten Fahrlehrern so unverbindlich abläuft wie in einem Volkshochschulkurs, führt Duchene ein freundliches aber strenges Regiment. Sie hat die Zahl der Theoriestunden aufgestockt und die Einheiten hinter dem Lenkrad glatt verdoppelt. Bei ihr gibt es deshalb [foto id=“401601″ size=“small“ position=“right“]auch Pflichtstunden bei Nacht und auf dem Highway. Selbst die Eltern bittet sie während der zwei Jahre einmal pro Monat zum Unterricht.
Was sie die Driving Academy sonst noch anders macht als die üblichen Fahrschulen in Kalifornien, sieht man auf den ersten Blick: Statt im muffigen Hallen auf der Highschool oder in einem unklimatisierten Bürocontainer auf irgendeinem Parkplatz sitzen die Schüler hier in weitläufigen, lichten Sälen, die eher an eine Kaffeebar als ein Klassenzimmer erinnern. Die Gruppen sind nicht einmal halb so groß. Und statt langweiligen Frontalunterricht gibt es viele Diskussionen, Gruppenarbeit und Anschauungsunterricht. Nicht umsonst steht im Foyer bisweilen ein Motorblock oder ein halb zerlegtes Auto.
„Coaching statt Teaching“, nennt Fahrlehrer Marc Hemsworth das didaktische Konzept. „Wir wollen, dass die Kids die Regeln nicht einfach auswendig lernen wie Vokabeln im Unterricht. Die Schüler sollen verstehen, warum die Regeln genau so und nicht anders sind. Sollen erkennen, wo die Gefahren lauern und abschätzen, welchen Risiken sie sich aussetzen.“ Hemsworth weiß wovon er spricht. Bis vor kurzem war er [foto id=“401602″ size=“small“ position=“left“]noch Chefinstruktor bei der Polizei von Los Angeles. Dort hat er jene ruhige Art perfektioniert, mit der er die Kids jetzt in den bunt beklebten C- und M-Klassen über den Rodeo Drive oder den Willshire Boulevard lotst.
Er gibt ihnen keine Kommandos, sondern hilft ihnen nur bei den eigenen Entscheidungen, lässt sie suchen und finden, sehen und verstehen. Für Hemsworth ist das nicht nur ein Beruf, der seine Rente aufbessert, sondern eine Berufung: „Als ganz normaler Streifenpolizist habe ich einfach zu viele Unfälle gesehen und zu oft mit den Hinterbliebenen telefoniert, um mich hier nicht voll und ganz zu engagieren“, sagt der Fahrlehrer aus Überzeugung und sieht plötzlich gar nicht mehr so freundlich und fröhlich aus wie eben bei der Fahrstunde.
Zwar geht es der Daimler-Mannschaft vor allem um die Sicherheit. „Denn egal wie viel Airbags und Assistenzsysteme wir einbauen: Ein Auto ist immer nur so sicher wie sein Fahrer“, sagt Duchene. Doch natürlich ist die nach ihren Angaben weltweit einzigartige Werksfahrschule auch ein Instrument der Kundenbindung. Wer seine ersten Meter in einem Mercedes fährt, wird danach nicht direkt zu BMW oder Audi laufen, so offenbar die Hoffnung von Initiator Alexander Hobbach, der die Driving Academy in ähnlicher [foto id=“401603″ size=“small“ position=“right“]Form auch schon in England etabliert hat. Und zu guter Letzt soll das Projekt irgendwann auch mal einen Gewinn abwerfen. „Dahinter steht ein ganz normaler Business-Case“, sagt der Mercedes-Manager, der mittelfristig schwarze Zahlen schreiben muss.
Deshalb kann und will Statthalterin Duchene die Kurse nicht zum Nulltarif anbieten. Im Gegenteil: Wo man überall sonst in Kalifornien für etwa 500 und bei Billiganbietern schon für 300 Dollar zum Führerschein kommt, kostet der Komplettkurs bei der Mercedes Driving Academy stolze 1.390 Dollar. Dass ihre wenigen Plätze für den Rest des Jahres 2011 quasi über Nacht ausgebucht waren, sie mit Wartelisten ins neue Jahr startet und bereits nach neuen Standorten bei den Mercedes-Händlern im Großraum Los Angeles sucht, ist für sie trotzdem nicht überraschend. Erstens zählt Hollywood nicht gerade zu den ärmsten Gegenden Amerikas. Und zweitens sind die amerikanischen Eltern einiges gewohnt: „Wer zehntausende Dollar in Privatschulen und Universitäten investiert, der gibt solche Beträge für die Sicherheit seines Kindes gerne aus.“
geschrieben von auto.de/sp-x veröffentlicht am 27.01.2012 aktualisiert am 27.01.2012
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