Rückruf bei General Motors – Wenn Kosten über Sicherheit gehen

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General Motors stehen schwere Zeiten bevor. Der einstmals größte Automobilkonzern der Welt hat offensichtlich jahrelang einen Defekt im Zündschloss gekannt und erst spät korrigiert, ohne allerdings die Öffentlichkeit darüber zu informieren. Das führt heute zu einer der größten Rückrufaktionen aller Zeiten und einem riesigen Vertrauensverlust. Insgesamt 1,6 Millionen zwischen den Jahren 2003 und 2007 gebaute GM-Modelle werden nun in die Werkstätten gerufen, um das fehlerhafte Teil auszutauschen. In Europa sind nach Angaben eines Opel-Sprechers 2.300 Exemplare des Opel GT aus dem Jahr 2007 betroffen.

Befragung von GM-Chefin

Wenn die neue GM-Chefin Mary Barra am 1. April vor dem US-Senat über das Verhalten des Konzerns befragt wird, geht es auch um den Tod von mindestens zwölf Menschen, die vermutlich wegen des defekten Zündschlosses bei Verkehrsunfällen ums Leben kamen. Nach unabhängigen Schätzungen soll das defekte Teil mehr als 300 Todesfälle verursacht haben. Die amerikanische Öffentlichkeit will vor allem wissen, warum General Motors keinen Rückruf veranlasst hat. „Irgendetwas ist bei diesem Prozess falsch gelaufen“, erklärte Mary Barra vorab in einer Videobotschaft. „Als Mitglied der GM-Familie und Mutter bin ich davon zutiefst betroffen“. Gleichzeitig kündigte sie eine „umfassende interne Untersuchung“ an. „Wir werden außerdem alles unternehmen, damit sich dies nicht wiederholen kann.“

Bei den Kompaktmodellen der Marken Chevrolet, Pontiac und Saturn konnte das Zündschloss während der Fahrt in die Aus-Position springen und dabei auch die Steuerung für Bremsen, Lenkung und Airbags ausschalten. Als Ursache für den Defekt ermittelten GM-Ingenieure eine zu schwach dimensionierte Feder im Zündschloss. Ein schwerer Schlüsselanhänger reichte unter Umständen bereits aus, um das Schloss zu beeinflussen und die Zündung zu blockieren.

Heimlich getauscht statt informiert

Statt beizeiten die Öffentlichkeit und die Sicherheitsbehörde NHTSA zu informieren, tauschte General Motors vom Modelljahr 2007 an das schadhafte Teil aus, ohne eine neue Teilenummer zu vergeben. Die Feder wurde damals um gerade 1,6 Millimeter verstärkt, was ausreichte, um den Schlüssel in Position zu halten. Mit diesem Schachzug machte es GM damals seinen Unfallforscher überaus schwer, die Ursache für Unfälle zu finden. „General Motors hatte die gesetzliche Pflicht, die National Highway Traffic Safety Administration über den Defekt zu informieren“, erklärte Clarence Ditlow vom Center for Auto Safety dem Branchendienst „The Detroit Bureau“. Die GM-Verantwortlichen hatten Anfang der 2000er Jahre ihren Zulieferer Delphi unter Druck gesetzt, möglichst preiswert, am besten auf „China-Preisniveau“, zu produzieren. Die Folgen dieser Politik wurden bereits im Jahr 2001 sichtbar, als beim Saturn Ion Probleme mit dem Zündschloss bekannt wurden. Erst drei Jahre später entwickelten GM-Ingenieure eine Lösung, die  aus Kostengründen nicht weiter verfolgt wurde. Auch eine 2005 vorgeschlagene Änderung fand bei den Verantwortlichen keine Zustimmung.

Statt das Billigteil auszutauschen, muss General Motors heute einen Rückruf organisieren, der den Konzern einige hundert Millionen Dollar kostet und einen gewaltigen Imageschaden verursacht. Neben den Klagen von Geschädigten fordern bereits erste Anleger Schadensersatz, nachdem die GM-Aktie deutliche Einbußen hinnehmen musste.

Prozess gegen GM

In einem Prozess, den die Angehörigen einer tödlich verunglückten jungen Frau angestrengt hatten, musste GM im vergangenen Jahr sein Verhalten erstmals öffentlich erklären. Als der Konzern Anfang der 2000er Jahre mit der Entwicklung des Kompaktmodells Cobalt begann, hatte man noch auf eine Zusammenarbeit mit Fiat gesetzt. Doch die Verbindung mit den Italienern zerbrach bald darauf, sodass die Amerikaner auf sich allein gestellt waren und in aller Eile das neue Modell auf die Räder stellten. Um diese Zeit zeichneten sich bereits die Schwierigkeiten ab, die 2009 schließlich zur zeitweisen Insolvenz des Konzerns führen sollten, sodass an allen Stellen gespart und Zulieferer unter Druck gesetzt wurden, immer preiswerter zu liefern. Damals werteten 85 Prozent der Lieferanten ihr Verhältnis zu General Motors als schlecht und 53 Prozent hätten am liebsten auf Geschäfte mit dem Unternehmen verzichtet.

Der Auftrag für die Zündschlösser ging damals an Delphi. Das Unternehmen war kurz zuvor von GM in die Selbstständigkeit entlassen worden, hatte aber kaum neue Kunden gewinnen können, war daher von General Motors abhängig, und musste sich daher dem Kostendruck beugen. „Damals herrschte bei GM das Chaos“, beschreibt der Industrie-Analyst Maryan Keller gegenüber dem Nachrichtendienst Bloomberg die Situation im Konzern. „Das Unternehmen litt unter wegbrechenden Margen und suchte verzweifelt nach Möglichkeiten, die Kosten zu verringern.“ Das darunter auch die Sicherheit der Kundschaft leiden konnte, war den Verantwortlichen offensichtlich nicht bewusst. Oder wurde von ihnen verdrängt.

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