Schnelle Flundern in blau-weiß-rot – 55 Jahre Alpine

Flach, leicht, schnell und vor allem selten. Der Renault Alpine kam vor 55 Jahren auf die Straße und ist heute noch immer eine Ikone.

Sportwagen mit Alpine-Signet

Sportwagen mit Alpine-Signet genießen in Frankreich noch immer einen Ikonenstatus – vergleichbar mit dem Nimbus von Porsche in Deutschland oder Maserati in Italien. Die erste der flachen Flundern mit Polyesterhaut und Renault-Motoren ließ der Rennfahrer und Renault-Händler Jean Rédélé im Jahr 1955 in Dieppe in Serie gehen – als Fortsetzung französischen Sportwagenbaus, wie ihn einst Bugatti zelebrierte. 40 Jahre später kam allerdings das vorläufige Aus für die mittlerweile von Renault übernommene, exklusive Sportwagenschmiede. Seitdem hoffen die Fans auf eine Renaissance der meist blau lackierten Rallye- und Rennsieger als Imageträger für Renault. Die Neustartampel für Alpine scheint jetzt endlich geschaltet, so wie zuvor bereits für Gordini, die andere gerade wiederbelebte sportive Renault-Tochter.

Immerhin konnte Alpine bereits 1995 auf fast alles verweisen, was eine rumreiche, elitäre Sportwagenmarke ausmacht: Titeltriumphe in Le Mans (1978) und bei der Rallye-Weltmeisterschaft (1973), Erfolge bei Rundstreckenrennen, reinrassige Renntechnik in Straßensportwagen, schnelle Formen für die Reichen und Schönen von Croisette und Champs Elysées und sogar Einsätze als Abfangjäger der Autobahnpolizei. [foto id=“323285″ size=“small“ position=“left“]Viel Image, aber zu wenig Gewinn, lautete dennoch vor 15 Jahren die vorläufige Schlussbilanz für Renault.

Begonnen hatte die Alpine-Saga unter Jean Rédélé, der als leidenschaftlicher Konstrukteur leichter Renn- und Sportwagen den Spuren des jungen Ettore Bugatti folgte. Dies aber erst, nachdem er sich entschieden hatte, eine geregelte Beamtenlaufbahn auszuschlagen und stattdessen die elterliche Renault-Vertretung zu übernehmen. Als jüngster Renault-Händler im Nachkriegs-Frankreich sorgte der 24-jährige Rédélé für nationales Aufsehen – ebenso wie wenig später mit Siegen in Serie bei legendären Langstreckenrennen wie der Mille Miglia, der Tour de France und der Rallye Lüttich-Rom-Lüttich. Inspirierender Höhepunkt der sportlichen Triumphe war für Rédélé aber der Erfolg beim Coupe des Alpes – ihm verdankt Alpine den Namen.

Wie Rédélés Rennwagen basierten auch die ersten Straßen-Alpine auf Renault 4 CV, dem kleinen viertürigen französischen Volksauto mit 747-ccm-Heckmotor. 1953/54 entwarf der italienische Starcouturier Giovanni Michelotti für Jean Rédélé zwei Sportcoupé-Prototypen mit Renault-4-CV-Technik. Mit dem ersten Prototypen gewann Rédélé 1953 die Rallye Dieppe, der zweite Sportwagen wurde 1954 unter dem Namen „The Marquis“ auf der New York Auto Show gezeigt. Ein erhoffter „Big Deal“ mit dem anfangs interessierten amerikanischen Händler Tark Reed platzte zwar, aber Rédélé ließ die sportlichen Coupés dennoch im Juli 1955 als Alpine A106 in Produktion gehen. Premierenort war diesmal das Renault-Stammwerk in Billancourt und lackiert waren die ersten drei Autos in den Farben der Trikolore: blau, weiß und rot.

Diese Nabelschnur zwischen dem damals mächtigen französischen Staatskonzern und der Diepper Manufaktur für schnelle Sportwagen blieb bis zum vorläufigen Schluss im Jahr 1995 erhalten, sorgte für Kapital und Technik zum Leben, konnte bei Verwicklungen aber auch die Luft zum Atmen nehmen. Letztlich war sie die Basis für die Erfolge der Kreationen Rédélés, die es zu weltweiter Bekanntheit brachten. Nicht nur als leichte [foto id=“323286″ size=“small“ position=“right“]Sportwagen aus Dieppe im Norden Frankreichs, sondern auch als in Lizenz gefertigte Imageträger für damalige automobile Entwicklungsländer wie Brasilien (als Alpine Interlagos) Bulgarien (Bulgaralpine), Mexiko und Spanien.

Weiterentwicklung der Alpine

Parallel zu den Veränderungen im Renault-Programm erfolgte die Weiterentwicklung der Alpine: Auf die A106 als Coupé (1955) und Cabrio (1957) folgte die A108 (1957) mit Komponenten der Renault Dauphine, das 2+2-sitzige A108 Coupé mit eigenständig entwickeltem Zentralrohrrahmen (1959/60) und die ultimative Legende aus dem Alpine-Programm, die A110 (1962) mit Antriebstechnik aus der Heckmotorlimousine Renault 8. Daneben entstanden diverse weitere Karosserien und Versionen, etwa das zwischen 1963 und 1969 produzierte 2+2-sitzige Coupé GT 4. Ab 1965 wurden alle Alpine über das Renault-Händlernetz vertrieben, ganz neue Absatzchancen vor allem für die A110, die nun auch mit einem von Amedée Gordini entwickeltem 1,3-Liter-81-kW/110-PS-Triebwerk lieferbar wurde. Zur richtigen Großserie brachten es die A110 allerdings nie – insgesamt entstanden bis 1977 nicht mehr als 7.500 Einheiten. Dafür wurde die Alpine A110 bereits zu Lebzeiten Legende – ähnlich wie es der Heckmotorikone Porsche 911 gelang.

Dies vermochte die futuristisch gezeichnete Nachfolgerin A310 nicht. Als eher kantiger Keil mit breiter Sechs-Scheinwerfer-Front provozierte und schockierte die neue Alpine bei ihrer Präsentation vor fast 40 Jahren fast alle Fans der feminin-rundlichen A110. Einen vergleichbaren Schock erlebte die Porsche-Fraktion vier Jahre später mit der Einführung des Transaxle- und Frontmotor-Modells 924. Ausgerechnet diese Porsche-Baureihe sollte später zur vielleicht härtesten Rivalen der Alpine avancieren, vor allem als die Französin ab 1977 mit großvolumigem 110 kW/150 PS leistendem 2,7-Liter-V6-Triebwerk lieferbar wurde. Mit dem großem Motor, mehr Gewicht und mehr Luxus widersprach die V6-Alpine zwar der ursprünglichen Philosophie Rédélés, aber sie kam auf größere Stückzahlen.[foto id=“323287″ size=“small“ position=“left“] Allerdings auch, weil die 1977 erfolgte Einstellung der bis zuletzt besser verkauften A110 die Markenfans zur Umstellung zwang.

Endgültig in das Segment der Luxussportler gelangten die Alpine mit der Einführung von V6 GT und V6 Turbo im Jahr 1985 und der finalen A610 von 1991. Verkaufszahlen in bislang nicht für möglich gehaltener Höhe wurden jetzt erreicht, den ganz großen Durchbruch zum ertragreichen Volumensportler schafften die Nobelrenner aus der Plastik-Produktion in Dieppe jedoch nie. 1972 wurde Alpine Bestandteil des Renault Konzerns, aber auch die Stückzahlen des in Dieppe gefertigten Massenmodells Renault 5 Alpine und der elitäre Mittelmotor-Renner Renault 5 Turbo konnten das Ende nicht mehr verhindern. 1995 zog Renault einen vorläufigen Schlussstrich unter die Sportcoupés und ließ nun Espace auf den Fließbändern von Alpine fertigen.

Lesen Sie weiter auf Seite 2: Schnelle Flundern in blau-weiß-rot – 55 Jahre Alpine – Teil II

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Modellhistorie Alpine
  
Produktionszahlen

Alpine A106 insgesamt (1955-1960): 251 Einheiten

Alpine A108 insgesamt (1957-1964): 236 Einheiten

Alpine A110 insgesamt (1963-1977): rund 7.500 Einheiten

Alpine A310 Vierzylinder insgesamt (1971-1976): 2.340 Einheiten

Alpine A310 V6 insgesamt (1977-1984): 9.276 Einheiten

Alpine V6 GT insgesamt (1985-1989): 1.472 Einheiten

Alpine V6 Turbo insgesamt (1985-1991): 5.266 Einheiten

Renault 5 Alpine (1976-1981): über 70.000 Einheiten

Renault 5 Turbo (1981-1982): 1.690 Einheiten

 
Wichtige Motorisierungen:

A106 (1955-1960) mit 0,75-Liter-Renault-4CV-Vierzylinder (20 kW/27 PS bzw. 22 kW/30 PS bzw. 28 kW/38 PS bzw. 35 kW/48 PS)

A108 (1957-1964) mit 0,85-Liter-Renault-Dauphine-Vierzylinder (27-29 kW/37-40 PS bzw. 37-43 kW/50-58 PS) und mit 0,9-Liter-Renault-Dauphine-Vierzylinder (39-40 kW/53-55 PS)

A110 (1963-1977) mit 1,0-Liter-Renault-8-Vierzylinder (38 kW/51 PS bzw. 40 kW/55 PS), mit 1,1-Liter-Renault-8-Vierzylinder (49-70 kW/66-95 PS), mit 1,25-Liter-Renault-8-Gordini-Vierzylinder (77 kW/105 PS), mit 1,3-Liter-Renault-8-Gordini-Vierzylinder (85-97 kW/115-132 PS), mit 1,3-Liter-Renault-12-Vierzylinder (60 kW/81 PS) mit 1,5-Liter-Renault-16-Vierzylinder (66 kW/90 PS), mit 1,6-Liter-Renault-16-Vierzylinder (68-127 kW/92-172 PS), mit 1,65-Liter-Renault-16-TX-Vierzylinder (70 kW/95 PS), mit 1,8-Liter-Renault-16-TX-Vierzylinder (121-125 kW/165-170 PS)

A310 (1971-1984) mit 1,6-Liter-Renault-16-Vierzylinder (85-91 kW/115-124 PS), mit 1,65-Liter-Renault-16-TX-Vierzylinder (70 kW/95 PS), mit 2,7-Liter-Renault-30-Sechszylinder (110 kW/150 PS)

Alpine V6 (1985-1991) mit 2,85-Liter-Renault-25-Sechszylinder (118 kW/160 PS), mit 2,5-Liter-Renault-25-Turbo-Sechszylinder (136-142 kW/185-200 PS)

Alpine A610 (1991-1995) mit 3,0-Liter-Renault-Safrane-Biturbo-Sechszylinder (184 kW/250 PS)

Renault 5 Alpine (1976-1981) mit 1,4-Liter-Vierzylinder (68 kW/93 PS)

Renault 5 Turbo/Turbo2 (1981-1986) mit 1,4-Liter-Vierzylinder (81-118 kW/110-160 PS)

 
Chronik:

1954: Vorstellung des Renault 4CV „Rédélé Speciale/The Marquis“ in den USA

1955: Präsentation der Alpine A106 in Billancourt und Produktionsanlauf

1957: Einführung des A108 Cabriolets

1959/60: Von nun basieren alle Alpine auf einem von Jean Rédélé entwickelten Zentralrohrchassis

1960: Vorstellung der A108 Berlinette auf dem Pariser Salon

1961: Serienstart der A108 Berlinette

1962: Die Alpine A110 Berlinette wird auf dem Pariser Salon enthüllt und geht ein Jahr später in Serie

1965: Vertrieb von Alpine jetzt über Renault-Händler

1968: Gründung der Alpine-Motorsportabteilung

1969: In der Nähe von Dieppe wird ein neues Werk eröffnet, Produktionsende der Alpine GT4 und der Cabrioversion der Alpine A108

1971: Auf dem Genfer Salon feiert der Alpine A310 Weltpremiere, Titelgewinn bei der Rallye-Markenmeisterschaft durch die Alpine A110

1972: Alpine wird Bestandteil des Renault-Konzerns

1973: Gewinn des Markentitels bei der Rallye-Weltmeisterschaft mit der A110

1974: Nach der vollständigen Integration der Marken Alpine und Gordini kommt es zur Gründung von Renault Sport. Die Motorsportabteilung treibt die Turboentwicklung voran

1976: Im September debütiert die A310 V6. Bereits seit März trägt die Spitzenversion des Kleinwagens Renault 5 das Alpine-Logo und wird in Dieppe montiert. Von der A110 Berlinette entstehen im letzten vollen Produktionsjahr noch 110 Einheiten

1978: Eine Alpine A442 gewinnt die 24 Stunden von Le Mans

1981: Einführung des Renault 5 Turbo

1985: Auf dem Genfer Salon feiert die Alpine V6 Weltpremiere

1991: Weltpremiere für die A610 auf dem Genfer Salon

1995: Im Frühjahr Produktionsauslauf der A610

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