Fiat

Sergio Marchionne: Ein Beispiel für ein Italien, das funktioniert

Fast hätte ihn die Stimme verlassen, den Fiat-Chef Sergio Marchionne. Das Klima in Italien ist eben auch rauer geworden. So pfiff den Journalisten am Vorabend des großen Auftritts vom Fiat Panda und Sergio Marchionne schon der Wind um die Nase, und nach seinem Auftritt bei der Pressekonferenz unterstrich der Himmel seine sehr ernsten Worte mit einem zweifachen Donnerschlag.

„Dies ist das Italien, das wir sein möchten und das die anderen sehen möchten“, hatte er gesagt und damit nicht nur die neue Prachtfabrik in Pomigliano bei Neapel gemeint.

Vor Jahren noch hatte Marchionne gerade wegen dieser Fabrik im tiefen Süden Italiens gedroht, mit noch mehr Fertigungen ins Ausland zu gehen. Jetzt berichten er und sein Management stolz von den 800 Millionen Euro, die das Unternehmen in Pomigliono investiert habe. Eine Million Stunden habe man in die Schulung von rund 7000 Mitarbeitern gesteckt und mehr als 600 Roboter installiert „Das hat uns ermöglicht, den neuen Panda hier zu produzieren“, sagt sein deutscher Produktionsvorstand Stefan Ketter, um die Erinnerungen an überkommene Qualitätsprobleme sofort auszulöschen.

In der Tat präsentierten sich die Fabrik und noch mehr die Menschen in ihr an diesem Tag besonders herausgeputzt. Hunderte von Ihnen standen in neuen weißen Anzügen Spalier für die Medienvertreter aus ganz Europa, die zur Pressekonferenz in die Endmontage einzogen. Kräftiger Applaus begleitete Sergio Marchionne und seine Damen und Herren, als er als letzter das Spalier durchschritt – lässig wie immer, mit verknitterter Hose, Pullover, wilden Haaren und Fieber im Blick.

Bis zu 1050 Panda sollen in diesem Werk pro Tag maximal vom Band rollen. Das sind immerhin 300 000 Autos pro Jahr. Die wollen verkauft sein, zumal der alte Panda erst noch eine noch unbestimmte Zeit als billigeres Modell in Polen vom Band rollt. Den polnischen Journalisten sagte der Fiat-Boss zu, dass ihr Werk erhalten bleibt. Der Lancia Ypsilon soll dort in die Produktion einfließen.

Den neuen Panda bezeichnete Marchionne als eines der beiden Beine, auf denen Fiat zur Zeit stehe. Den Cinquecento nannte er als das zweite. Die beiden anderen Beine sollen aus den USA nach Europa wachsen. Chrysler soll es bringen. Aber das brauche Zeit, wiegelte Marchionne die Frage nach dem Zeithorizont ab. Als er den US-Hersteller zu übernehmen begann, erklärten viele Experten ihn für einen Hasardeur. Doch nach strammen Restrukturierungen in der US-Automobilindustrie und speziell bei Chrysler scheint die Zeit nun für den transatlantischen Konzern zu spielen. Marchionne lässt jedenfalls nicht von seiner Vision, das Unternehmen auf Platz vier oder fünf in der Welt zu führen.

Die zurückgehenden 500er-Umsätze bringen ihn nicht davon ab, auch die misslungene Einführung des Kleinen in den USA nicht. „Alles mein Fehler“, wiegelt er ab. Dann spricht er über die immensen Überkapazitäten der Automobilindustrie und fordert Aktionen von der Europäischen Union, „wie damals bei der Stahlindustrie“.

Seine acht Jahre beim italienischen Autobauer nennt er die Wiedergeburt von Fiat. Und für Chrysler sieht er das ähnlich. Aber in diesen Wochen treibt den Mann noch mehr um. Ernst und unter Aufbieten seines ganz eigenen Charismas spricht er über Italien, und bei den deutschen Teilnehmern der Pressekonferenz fühlen sich viele an die Stimmung in der deutschen Industrie kurz nach der Wiedervereinigung erinnert. Er appelliert an seine Landsleute, spricht von Verantwortung, meint aber nicht nur die des Unternehmers. Selbst der italienische Werbespot für den Panda hat viel vaterländisches Forderndes und gipfelt nach vielen Bildern über Italien, Kultur und Technik mit einem Spruch, der die Maxime aufstellt: Die Dinge, die wir machen, machen uns – ein nachdenkliches „Yes, we can“. Marchionne unterstreicht: „Wir wissen um unsere Verantwortung, dieses Land am Laufen zu halten“.

Man sieht ihm an, wie ernst es ihm ist. Was sich an dieser Stelle lesen mag wie ein Fall von Überheblichkeit, nimmt man ihm ab, wenn man ihm zuhört. Er selbst will und Fiat soll ein Beispiel sein für ein Italien, dass funktioniert. „Wir haben jetzt Gelegenheit, zu dem Land zu werden, das wir sein möchten“, sagt er, und die Stimme hält immer noch. Das Werk bei Neapel sieht er als Beweis seines guten Willens und wohl auch als Beweis dafür, dass die Süditaliener es kapiert haben.

Vor den Werkstoren stand zum Abschied ein kleines Häuflein winkender Demonstranten mit fünf roten Fahnen und einigen selbst beschrifteten Transparenten. Ihre Slogans sagen wahrscheinlich etwas über den Preis, den die Arbeiter in Pomigliano für ihren Arbeitsplatz zahlen mussten. Aber sie haben Arbeit.

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