Shanghai 2013: China-Böller werden bunter

Mehr als 100 Autohersteller sind in China aktiv. Die heimnischen Marken schaffen allerdings gerade einmal 40 Prozent Marktanteil. Skurrile Konstruktionen, biederes Design und rückständige Technik prägen noch immer das Bild chinesischer Autos. Allerdings sinkt die Zahl der dreisten Kopien und zwischen den automobilen Kuriositäten blitzen auf der Shanghai Auto Show (bis 29. April) beachtenswerte Studien und Neuerscheinungen auf.

Chinas Autobauer stehen unter Druck

Der zwölfte Fünfjahresplan für den Autosektor legt fest, dass die heimische Autoindustrie bis 2015 ihren Marktanteil von aktuell 40 Prozent auf 50 Prozent Marktanteil steigern muss. Die Markenvielfalt chinesischer Hersteller bringt selbst Kenner der internationalen Autoszene ins Schleudern. „Hawtei Motors“, „Lifan Auto“, „Tongji Auto“, „Jonway“ oder die „Qinhuangdao Jincheng Automobile Manufacture Company“ sind nur wenige Namen der rund 100 heimischen Produzenten. Entsprechend groß stellen sich Vielfalt und Angebot dar. Unabhängig von Qualität und Technik ist wirklich jede Nische besetzt.

Das Geflecht an Beteiligungen und Kooperationen bei den chinesischen Herstellern zu durchschauen, ist eine Sisyphusarbeit. Zahlreiche Marken haben an den vier großen Auto-Konzernen angedockt: „FAW“, „Chang`an Motors“, „Dongfeng Motors“ und „SAIC Motors“ (Shanghai Automotive International Motors). Diese vier Konzerne befinden sich in Staatsbesitz und stellen auch die meisten der gesetzlich vorgeschriebenen Joint-Venture-Partner ausländischer Hersteller. Volkswagen ist beispielsweise mit FAW verbunden. Unter dem Dach von FAW arbeiten zwölf Hersteller, die Joint-Ventures umfassen neben VW auch Audi, General Motors, Mazda und Toyota. So finden sich unter den heimischen Marken stets [foto id=“463509″ size=“small“ position=“left“]zahlreiche Produkte, die mit Techniken, Formen oder Plattformen der ausländischen Partner arbeiten. Die 1992 gegründete FAW-Marke „Haima“ baut beispielsweise jährlich rund 400 000 Fahrzeuge mit Mazda-Technik.

Zu FAW gehört auch das Aushängeschild der chinesischen Autoindustrie: „Hongqi“ („Rote Fahne“). Hongqi stellte 1958 den ersten eigenen Pkw Chinas her. Der „East Wind“ verband Karosserie und Chassis eines Simca „Vedette“ mit dem Vierzylinder eines Mercedes 190. Heute beliefert „Hongqi“ vorwiegend staatliche Stellen und Behörden mit repräsentativen Fahrzeugen. Für den von 2002 bis 2012 amtierenden Vorsitzenden der kommunistischen Partei, Hu Jintao, entwickelte „Hongqi“ 2009 die ultimative Staatslimousine für die Parade zum 60. Geburtstag der Volksrepublik China. Der „Rote Fahne HQE“ ist bis heute das Spitzenerzeugnis des chinesischen Autobaus, knapp acht Meter lang, von einem V12 mit sechs Litern Hubraum befeuert, der 300 kW/408 PS leistet und umgerechnet rund 920 000 Euro kostet.

Rückläufig ist eindeutig die Zahl dreister Design-Kopien. Allerdings finden sich in den Hallen der „Shanghai Auto Show“ immer noch Nachbauten, die schamlos westliche Vorbilder kopieren. So präsentiert „Hawtei Motors“ einen besonders dreisten Nachbau des Porsche Cayenne. Der Wiedergänger des deutschen Luxus-SUV firmiert unter dem Namen „Boliger S 1.8 T“. Gegenüber dem Original arbeiten die auf vier halbierte Zylinderzahl mit 118 kW/160 PS unter der hangespachtelten Haube. Die Qualität der Fälschung zum Original verhält sich wie die einer 20-Euro-Rolex aus Bangkok zum originalen Chronometer aus Schweizer Fertigung. Auf der gleichen 4,62 Meter langen Plattform entsteht bei „Hawlei“ auch ein Nachbau des BMW X5.

Die Suche nach einem Image, das Kunden bindet, scheint bei vielen chinesischen Autobauern noch nicht abgeschlossen. „Haval“ probiert es patriotisch mit einem kindlichen Gesangstalent, das vor roten Fahnen die kommunistische Solidargemeinschaft beschwört: „Hebt mich auf eure Schultern, damit ich größer werden kann, als ich bin.“ Der Messeauftritt des Herstellers stellte unter anderem einen Crossover namens „H2“ in den Mittelpunkt, der irgendwie an einen Audi Q3 erinnert. „ZXAuto“ („Hebei Zhongxing Automobile Company“) aus dem nordöstlichen Boading lässt von rund 2 800 Mitarbeitern in einem Joint-Venture mit dem taiwanesischen Hersteller „Taiwan Unite Leading Company“ kleine SUVs, Pick-ups und Limousinen fertigen. Die Marke wirbt einerseits mit jugendlichen westlichen Modells, die sich auf den Hauben räkeln und schmeichelt andererseits den patriotischen Gefühlen des potentiellen Publikums mit dem Wandschmuck des ersten chinesischen Flugzeugträgers „Liaoning“, der 2012 seinen Dienst aufgenommen hat. Bei „BAIC“ (Beijing Automotiv [foto id=“463510″ size=“small“ position=“right“]International Holding) soll es ein goldener Van richten. Chinesen sehen in Gold, neben Rot, eine Glücksfarbe.

Die jüngste Automesse in Shanghai zeigt aber auch, wie schnell die Industrie lernt. So waren erstmals bemerkenswerte Studien zu sehen, die auch in Genf oder Detroit für Aufsehen gesorgt hätten. Das Design-Studio „Icona“ aus Shanghai überzeugte mit einer Sportwagenstudie. Der „Vulcano“ repräsentiert einen Supersportwagen mit einem V12-Motor von Ferrari, der rund 900 PS leistet, in weniger als zehn Sekunden aus dem Stand auf Tempo 200 km/h spurtet und 350 km/h schnell ist. Die quitschebunte Studie eines extremen kleinen Offroaders bei Geely vermittelt Eigenständigkeit und wachsendes Selbstvertrauen der Branche. Statt an mangelnder Kompetenz beim Design zu scheitern oder einfachen dreist zu kopieren, geht der Trend der chinesischen Hersteller hin zum Erwerb fehlender Kompetenzen. Der jüngste Hersteller Quoros überzeugt mit Limousinen und einem kleinen SUV des ehemaligen Mini-Designers Gerd Hildebrand. Und „Icona“ führt auf seiner Gehaltsliste fast ausnahmslos Europäer, die chinesischen Autobauern Nachhilfe bei Technik und Gestaltung leisten. Wenn die heimische Autoindustrie zur nächsten „Shanghai Auto Schau“ 2015 den Vollzug des zwölften Fünfjahresplans meldet, wird die Messe ärmer an skurrilen Autos sein.

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