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Auch ohne zweistellige Zuwachsraten bleibt der chinesische Automarkt das geheiligte Zukunftsversprechen der deutschen Pkw-Marken. Umgekehrt scheint der Gedanke an einen Export ihrer Produkte den chinesischen Herstellern noch weitgehend fremd zu sein, wie ein Streifzug über die Messe Auto China in Shanghai zeigt.
Die Einwohner des asiatischen Riesenreiches werden im laufenden Jahr voraussichtlich rund 16 Millionen Personenwagen und leichte Nutzfahrzeuge neu zulassen. Das ist mehr als in den USA verkauft werden, und damit ist China inzwischen der weltgrößte Automarkt. Da aber selbst in den Ballungsräumen am Gelben Meer das Verhältnis von Bevölkerung zu Kraftfahrzeugen nur rund halb zu groß ist wie in entsprechenden Zentren in Deutschland, wird dem Markt auf Jahre hinaus ein Wachstumspotenzial zugerechnet.
Wenngleich die Volkswagen-Markengruppe mit rund 20 Prozent Anteil der größte Player auf dem Markt ist, gibt es rund 100 einheimische Produzenten, die alle ihr Auskommen haben. In Europa sind sie bislang nur durch fragwürdige Eigenschaften bekannt geworden. Entweder gab es wegen des hemmungslosen Kopierens europäischer – vor allem deutscher [foto id=“463232″ size=“small“ position=“left“]– Erfolgsmodelle gerichtliche Auseinandersetzungen oder die Autos gaben bei Crashtests nach europäischen Standards eine jämmerliche Figur ab. Beides wandelt sich gerade, zumindest gibt es auf der jetzt laufenden Messe in Shanghai deutliche Anzeichen dafür.
Genüsslich breiteten Fachmedien noch vor Jahren immer wieder Fotostrecken von mehr oder weniger geglückten Nachahmungen diverser Massen- und Luxus-Karossen aus. Die Rolls-Royce- oder Bentley-Kopien, auch die Mercedes- oder BMW-Klone entpuppten sich jedoch bei genauerem Hinsehen mehr als Parodien der Originale denn als ihre Konkurrenten. Aktuell findet man bei Marken wie Brilliance, Lifan, BYD, GAC, Geely oder Denza aber nur noch vereinzelt Autos, die an europäische Vorbilder erinnern. Die chinesischen Designer sind offenbar selbstbewusster geworden und es erscheint nicht mehr opportun, Vorbilder global erfolgreicher Marken unter chinesischem Logo herauszubringen.
Wer dieser Tage in Shanghai über den Brilliance-Stand streift, kann an einem mit „V5“ gekennzeichneten SUV eine große Verwandtschaft mit dem BMW X3 erkennen. Proportionen, die Fenstergrafik, selbst der Frontgrill könnte von dem bayerischen Geländegänger inspiriert worden sein. BMW hat schon Erfahrungen mit gerichtlichen Auseinandersetzungen wegen Plagiatsverdachts: Die Münchner hatten 2007 Klage eingereicht, um den Vertrieb des Geländewagens Shuanghuan CEO zu unterbinden, den sie als Kopie des X5 ansahen.
Im gleichen Segment fährt ein hochbeiniger Fünftürer vor, den die Firma Hawtai Motor in Shanghai ausstellt. Seitenansicht und Heck zeigen große Nähe zum Porsche Cayenne, die Front des Modells Boliger S ist mit einer ausladenenden Bugschürze verfremdet. Der 1,8 Liter-Vierzylinder-Motor gibt keinen Anlass, an Billigkonkurrenz für den Porsche zu denken. Vielmehr lassen Lacknasen an Stoßfänger und Grilleinfassung Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Angebots aufkommen.
Erkennbar seltener geworden sind jene Kreationen zwischen bieder und skurril, die in den zurückliegenden Jahren das Design chinesischer Massenautos kennzeichneten. Was heute bei Changan, SAIC oder Great Wall gezeigt wird, ist auch (vor)zeigbar. Bei den Limousinen dominiert die klassische Stufenheckform, doch die eklatanten Designverirrungen von ehedem sind verschwunden. Statt dessen dominieren ein ausgewogener und zweckmäßiger Stil, der ebenso aus Japan, Korea [foto id=“463233″ size=“small“ position=“right“]oder Europa stammen könnte. Einzelne Konzept-Studien, wie etwa das SUV Changun CS 95 sind so gelungen, dass man sich wünschte, sie sollten gebaut werden.
Ganz bestimmt ein Original ist dagegen das Fahrzeug Aptrera, das Jonway herstellt. Dem flüchtigen Betrachter vermittelt sich nicht sofort, ob das dreirädrige Vehikel zum Fahren, Schwimmen oder gar zum Fliegen vorgesehen ist. Zwei unvollkommen verkleidete Räder hat das Objekt vorn unter der kanzelartigen Kabine, eines hinten mittig unter dem Heck. Es handelt sich um ein Elektrofahrzeug, das bei 4,46 Metern Länge und 2,18 Metern Breite dank reichlicher Verwendung von Kunststoff nur 816 Kilogramm wiegen soll. Eine Batterie mit einer Kapazität von 20 Kilowattstunden (kWh) und ein Elektromotor mit 82 kW Leistung dienen als Quelle des Antriebs. Mit maximal 144 km/h soll das futuristische Mobil unterwegs sein, die Reichweite wird mit 160 Kilometern angegeben.
Fragt man am Stand von Jonway Motors nach ergänzenden Informationen, so erhält man ausweichende Antworten. Pressemitteilungen, etwa noch in englischer Sprache, sind nicht vorrätig. Dieses Phänomen kann man bei fast jedem einheimischen Aussteller antreffen. Es illustriert anschaulich den Blickwinkel, den die Öffentlichkeitsarbeit dieser Firmen einnimmt. Hier und da sind durchaus Broschüren und Abbildungen der ausgestellten Fahrzeuge zu bekommen, doch den wenigsten europäischen Besuchern dürfte die üppige Ansammlung chinesischer Schriftzeichen die gewünschten Informationen vermitteln. Im Gegensatz dazu sind bei den Präsentationen deutscher und europäischer Hersteller Simultan-Übersetzungen in Mandarin, Texteinblendungen in chinesischer Sprache und Begrüßungsformeln in einheimischer Zunge sogar von Vorständen die Regel.
Die Erklärung für diese unterschiedliche Praxis liegt auf der Hand: Die europäischen Hersteller sind in ihren Wunsch nach anhaltend guten Verkäufen mehr oder minder abhängig vom chinesischen Drang nach Individual-Mobilität, die Auto-Produzenten im Reich der Mitte können sich Europa noch eine ganze Weile als unbestellten Acker leisten.
Dabei gibt es durchaus Erzeugnisse, die es wert wären, auch ein paar tausend Kilometer weiter westlich zur Kenntnis genommen zu werden. Einem Suzuki Splash nicht unähnlich ist das Modell SAIC Eso, das von einem 28-kW-Elektromotor angetrieben wird. Der 1080 Kilo leichte Dreitürer ist 3,57 Metern lang und sein Akku hat eine Kapazität von 18 kWh. 130 km/h soll er damit fahren können. Gibt es eine Produktbroschüre, will der neugierige Besucher aus Europa wissen. Die Antwort lässt an Freundlichkeit und Klarheit nichts zu wünschen übrig: „No, Sir“.
geschrieben von auto.de/(ampnet/ab) veröffentlicht am 22.04.2013 aktualisiert am 22.04.2013
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