Studie: Deutsche Automobilzulieferer am Scheideweg

Dass sich die Branche der deutschen Automobilzulieferer aktuell am Scheideweg befindet, zeigt die Studie „Money vs. Technology 2009“ von Deloitte und IHS Global Insight. Zwar gebe es erste Anzeichen einer Erholung, doch brächten sie neue Herausforderungen.

195 Entscheider namhafter deutscher Zulieferbetriebe äußerten sich über die Schwierigkeit, Überkapazitäten abzubauen sowie an Bankkredite zu kommen, die dringend für Neuentwicklungen und Investitionen benötigt werden. Auch die langsam wieder einsetzende Nachfrage verlange nach Finanzierung.

Der Branche stehe ein harter Umbruch ins Haus: Zwar würden Überkapazitäten durch gezielte Unternehmensaufkäufe und Strategieanpassungen abgebaut, doch diese Veränderung werde nicht ohne Insolvenzen erfolgen. „Die Krise hat die Finanzdecke kleiner Betriebe stark angegriffen – sie haben jetzt kaum mehr Mittel, auch weil Banken sich bei der Kreditvergabe nach wie vor zurückhalten. Sie können somit nicht vom einsetzenden Aufschwung profitieren, sondern werden im Gegenteil davon sogar bedroht“, prognostiziert Siegfried Frick, Partner Corporate Finance bei Deloitte. „Trotz voller Auftragsbücher werden wir in den kommenden Monaten viele zahlungsunfähige Betriebe sehen: Die bedrohten Unternehmen müssen umgehend restrukturieren, ihren Eigenkapitalanteil erhöhen und ihre Liquidität sichern.“

Rund die Hälfte der Befragten ist der Ansicht, dass es ein Überangebot von 30 Prozent im Chassisbau, bei der Fahrzeugelektronik und im Antriebsbereich gibt. Bei der Innenausstattung seien es sogar 40 Prozent. 57 Prozent der Betriebe planen, Kapazitäten abzubauen.

Insolvenz mussten bis November 2009 bereits 83 Zulieferer anmelden. Das werde sich 2010 weiter fortsetzen. Die Studie hält fest: Nicht allen Unternehmen werde es im kommenden Jahr gelingen, die nötigen Restrukturierungs- und Refinanzierungsmaßnahmen umzusetzen. Überdies seien potenzielle Käufer auch dünn gesät. Aus Marktsicht seien Insolvenzen unausweichlich, doch nur so werde es gelingen, Überkapazitäten abzubauen und wieder auf einen Wachstumskurs zurückzufinden.

Automobilhersteller verfolgten die langfristige Strategie, zu große Konzentrationen auf der Zuliefererseite zu vermeiden. Zulieferer wiederum bemühen sich, jedem Hersteller individuelle Lösungen anzubieten, um die Austauschbarkeit durch zu große Einheitlichkeit zu verhindern. Ab zeichne sich der Trend, gescheiterte Unternehmen in Teilen an unterschiedliche Wettbewerber zu verkaufen, um existierende Technologien und Produktionskapazitäten zu erhalten.

Der Markt verlange nach neuen, energiesparenden Technologien wie Leichtbauteilen, sparsamen Getrieben oder kleinen Motoren mit niedrigem Energieverbrauch. Auch die Nachfrage nach Hybrid- und Elektroantrieben wachse ständig, erfordere aber erhebliche Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen. Bei ausgereiften Technologien nehme der internationale Wettbewerb, aber auch der Kostendruck zu. Laut Studie werden Zulieferer und Automobilhersteller diese Herausforderungen nur bewältigen, wenn sie enger als bisher beispielsweise in der Entwicklung zusammenarbeiten. Das biete sich z.B. bei der Fahrzeugelektronik an. Bis zu 80 Prozent kommender Innovationen entfallen voraussichtlich auf diesen Bereich.

„Unsere Marktuntersuchung zeigt eine wachsende Nachfrage vor allem nach neuer Elektronik, aber auch nach neuer Chassis- oder Antriebstechnik. Hier liegt die Chance europäischer Zulieferer, denn sie verfügen hier über herausragende Expertise. Diese müssen sie weiter ausbauen, um ihre Marktstellung zu verbessern. In keinem Fall darf an Forschung und Entwicklung gespart werden. Das eröffne branchenfremden Elektronikunternehmen die Chance auf einen Markteintritt“, urteilt Christian Müller, Automotive Consultant bei IHS Global Insight.

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