Der Markenwert von Tesla ist phantastisch, die Loyalität der Kundschaft ungebrochen: Die Sympathie, die dem US-Hersteller von Elektromobilen entgegenbrandet, dürfte schon Porsche- oder Ferrari-Niveau erreichen. Und selbst dort findet keine derartige Verklärung des Firmenlenkers statt, wie sie Tesla-Gründer Elon Musk genießt. Über 100.000 Einheiten der Oberklasse-Limousine Tesla Model S wurden seit 2012 an den Mann gebracht - ein Erfolg, den Musk nur wenige zugetraut hätten, wenngleich er mit kräftigem Rückenwind der einstigen Investoren und Technologiepartner Daimler und Toyota zustande kam.
Der Erfolg ist so enorm, dass die etablierten Premium-Hersteller am Elektroauto auch in der Oberklasse nicht mehr vorbeikommen. Ob das nun der Umwelt hilft oder nicht: In wenigen Jahren wird es die ersten Modelle von Audi, Mercedes-Benz und Porsche geben. Tesla indessen bietet mit dem Model X nun schon das dritte Modell an – neben dem Model S, dem ein kompakter, inzwischen nicht mehr angebotener Roadster vorangegangen war. Und das Selbstbewusstsein der Marke sieht man dem Model X schon äußerlich an: Geboten wird hier eine Art Großraumlimousine, die mit mehr als fünf Metern Länge und glatten zwei Metern Breite schon fast das Maß der Oberklasse sprengt. Mit Außenspiegeln in Normalstellung ist das Auto sogar 2,27 Meter breit - das funktioniert auf den genormten Parkplätzen der US-amerikanischen Einkaufszentren, in europäischen Parkhäusern wird es zur Qual und auf europäischen Autobahnstellen muss er sich bei den Lkw auf der rechten Spur einordnen.
Das von uns gefahrene Spitzenmodell P90D leistet in der Spitze bis zu 568 kW / 773 PS – dieser Wert wurde zumindest bei der Weltpremiere kommuniziert. Um eine Dauerleistung handelt es sich dabei allerdings nicht, denn wenn höhere Leistungen abgefordert werden, schnellt die Temperatur von Antrieb und Akkus rasch nach oben. Und so ist es zwar möglich, beim Kavalierstart an der Ampel Eindruck zu machen: Der Spurt von 0 auf 100 km/h dauert trotz 2,5 Tonnen Leergewicht ganze 3,4 Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h dürfte jedoch nur kurz gehalten werden können.
Nun ließe sich einwenden, dass es ohnehin dem Ansatz eines Elektroautos widerspricht, permanent mit hoher Geschwindigkeit zu fahren. Vernünftiger ist das schwächer motorisierte Einstiegsmodell 70D. Auch das kommt in 6,2 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Dazwischen liegen der 90D (5,0 Sekunden) und der P90D ohne Beschleunigungs-Paket (4,0 Sekunden).
Genauso eindrucksvoll wie die Fahrleistungen des Model X ist die Reichweite. Unter günstigsten Umständen können je nach Version 400 bis 470 Kilometer zurückgelegt werden, bevor nachgeladen werden muss. Realistischer sind 300 Kilometer – je nach Temperament des Fahrers. Das ist immer noch weitaus mehr, als andere Elektroautos liefern, und es ist der große Vorzug des Tesla, dass sich Reisen genau wie mit einem konventionell angetriebenen Auto planen lassen
Das elektrische Fahren ist nach wie vor reizvoll: Die lautlose Beschleunigung sorgt für ein besonderes Komforterlebnis. Bei Landstraßen- und Autobahntempo dringen allerdings Wind- und Abrollgeräusche in den Vordergrund, Antriebsgeräusche spielen dann ohnehin keine Rolle mehr.
In der Materialanmutung fällt der Model X in der Materialanmutung übrigens deutlich zurück. Vor dem Fahrer breitet sich ein einfaches Armaturenbrett aus, das dem Model S entstammt; der vertikal eingebaute 17-Zoll-Bildschirm bleibt unverändert. Dessen Graphik wirkt inzwischen angestaubt, und viele Schalter und Hebel kommen aus dem Mercedes-Regal – eine Hinterlassenschaft der früheren Technik-Kooperation. Und auch die Verarbeitungsqualität hatte bei dem von uns gefahrenen Modell keine Oberklasse-Qualität.