BMW M6

Test BMW M6 Gran Coupé – Die Schöne und das Biest

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Genie und Wahnsinn liegen häufig erschreckend nah beieinander. Dass dies auch und ganz besonders für das Automobil gilt, zeigt das BMW M6 Gran Coupé. Denn hinter dem edlen Äußeren des langen 6ers versteckt die M-GmbH eine wahre Bestie, bei der trotz aller handwerklichen Perfektion der pure Wahnsinn stets mitfährt.

Der Schattenkönig aus Bayern

Auch wenn die Zahlenhierarchie etwas anderes sagt, die 6er-Baureihe von BMW ist für mich der Inbegriff vom Luxus-Auto. Klar, der 7er bietet potentiell mehr Platz, größere Serien-Motoren und ist zudem noch als Langversion verfügbar. Doch die 6er-Baureihe versprüht in all ihren Variationen eine Eleganz, von der der große Bruder nur träumen kann. Seit letztem Jahr dürfen die Passagiere im Fond beim Gran Coupé auch über eigene Türen einsteigen und genießen dank knapp 11 cm zusätzlicher Länge auch mehr Platz. Die rahmenlosen Seitenfenster und jede Menge Chrom verstärken das elegante Auftreten des BMW 6er Gran Coupés. Potente Sechs- und Achtzylinder-Motoren sorgen mit 313 bis 450 PS für angemessenen Vorwärtsdrang des 2-Tonnen-Kolosses.

Gen-Experimente

Apropos Gewicht: Zum Facelift der 7er-Reihe hatte BMW einer M-Version seiner Oberklasse noch eine klare Absage erteilt, da ein M-Modell mehr sei, als ein BMW mit besonders starkem Motor. Außerdem sei der 7er dafür einfach zu schwer. Doch in den Laboren der M-GmbH ist es nun doch gelungen, dem exakt gleich schweren 6er Gran Coupé die M-Gene einzuimpfen. Herausgekommen ist eine Kreatur, deren hübsche Hülle über das diabolische Innenleben hinwegtäuschen will, dies aber nicht ganz schafft. Schuld daran ist nicht zuletzt die auffällige Lackierung in „Frozen Silver Metallic“, die jede Sicke des M6 wie einen angespannten Muskelstrang hervortreten lässt. Die deutlich größeren Lufteinlässe in der Frontschürze werden nur von zwei Querstreben durchbrochen, die wie Fangzähne im Maul der Bestie sitzen. Kommt man dem Wagen näher, fallen zudem das Carbondach sowie die „M“ Insignien an Heck und Flanke ins Auge.

Das Blut gefriert

Bereits der Anblick des M6 Gran Coupé flößt Respekt ein, das Wissen um Leistung und vor allem den Preis, lässt einem jedoch erst recht das Blut in den Adern gefrieren: 560 Pferde reißen mit 680 Nm an der Hinterachse, die dank TwinTurbo von 1.500 bis 5.750 U/min anliegen, also quasi in allen Lagen. Das Ganze lässt sich BMW mit sage und schreibe 170.000 Euro bezahlen. Zum Glück ist der Wagen gut versichert, ich muss im schlimmsten Fall nur die Selbstbeteiligung und/oder mit meinem Leben bezahlen. Ich strecke die Hand nach dem Türgriff aus. Noch bevor ich richtig zugepackt habe, entriegelt die Bestie dank Keyless-Go die Türen, beleuchtet zum Gruß die Türöffner mit kühl-blauem LED-Licht. Durch das Portal, mit seinen rahmenlosen Fenstern, steige ich andächtig in den feudalen Innenraum.

Rollende Zigarren-Lounge

Wobei feudal im Fall meines Testwagens sogar noch untertrieben ist. Für die Sitzbezüge hat sich BMW für ein dunkelbraunes (Cohibabraun in der Marketingsprache) Leder entschieden. In Verbindung mit dem schwarzen Alcantara-Himmel und den Interieurleisten aus schwarzem Klavierlack wirkt das M6 Gran Coupé nicht wie ein Luxus-Sportler, sondern erinnert eher an eine barocke Zigarrenlounge mit schweren Ledermöbeln. Hier ist das BMW M6 Gran Coupé wieder voll und ganz Luxus-Liner. Die Verarbeitung ist natürlich tadellos, selbst das Armaturenbrett ist mit von Ziernähten umsäumtem Leder bezogen. Mittelkonsole und Arbeitsplatz sind zum größten Teil auch aus den Modellen der 5er-Reihe bekannt, das Sportlenkrad kann man sich als M-Sportpaket auch in jedem anderen Modell ordern. Das optionale Bang & Olufsen Sound System beeindruckt durch sein abgefahrenes Design und den glasklaren Klang genauso wie mit seinem Preis: schlappen 5.000 Euro.

Sparen für Rennfahrer

Als ersten Hinweis, dass es sich bei diesem Fahrzeug jedoch nicht um einen gewöhnlichen BMW handelt, ist der M-Spezifische Wahlhebel der 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe. Gesäumt wird dieser zudem nicht von den üblichen Schaltern zur Auswahl fester Fahrprogramme (Eco, Komfort, Sport). Bei den Fahrzeugen der M-GmbH kann der Fahrer Lenkung, Fahrwerk oder Schaltverhalten der Automatik einzeln justieren. Doch es ist ein weiterer Knopf daneben, an dem mein Blick zunächst hängen bleibt. Der für die Start-Stopp-Automatik? Ernsthaft? Bei einem 4.4-Liter V8? Vermutlich konnte nur so der Normverbrauch ganz knapp unter die 10-Liter-Marke gedrückt werden.

Ruhe vor dem Sturm

Ich fasse all meinen Mut zusammen und betätige den Knopf zum Motorstart. Ein dumpfes, weit entferntes Grollen ertönt, Headup-Display und Bordcomputer vermelden Arbeitsbereitschaft. Dann kann es auch schon los gehen, denn entgegen herkömmlicher Automatikgetriebe verfügt die Schaltung des M6 Gran Coupé nicht über eine Park-Position. Beim Rangieren zeigt sich das allerdings als suboptimal, lösen sich die Bremsen doch stets mit einem leichten Ruck nach vorne, was mir beim Rangieren und Parken die eine oder andere Angstschweiß-Perle auf die Stirn getrieben hat. Auch beim Anfahren reist sich der M6 mit leichtem zucken von seiner Leine los, und der sündhaft teure BMW rollt von dannen. Trotz seiner fünf Meter Länge ordnet sich das Gran Coupé spielend in den fließend Verkehr ein. Die momentan auf Komfort getrimmten Dämpfer blenden dabei die Kraterlandschaft der Leipziger Straßen fast vollständig aus. Auch vom gewaltigen Motor ist kaum etwas zu hören. Einziges Indiz ist der Verbrauch, den der Bordcomputer im Stadtverkehr mit etwa 15 l/100 km beziffert. Da hilft auch die Start/Stopp-Automatik nicht viel, die bei jedem Motorstart des M6 eine schaurig schöne V8-Fanfare erklingen lässt. Damit das Orchester richtig los legen kann, verlasse ich die Stadt, halte meinen Gasfuß auf der Bundesstraße Richtung Autobahn bewusst in Zaum. Der Verbrauch fällt dabei rapide ab und in den einstelligen Bereich. Auf der Autobahn wird meine Geduld weiter auf die Probe gestellt, die Ausfahrt mündet direkt in eine Baustelle: Tempo 60 km/h. Also schleiche ich mit Tempomat dahin und probiere mich an den Knöpfen am Lenkrad aus. Als erstes wähle ich das Fahrprogramm „M1“ aus. Sofort schnellt die Drehzahl nach oben, der Bordcomputer vermeldet, dass Lenkung und Fahrwerk nun ebenfalls im Sportmodus sind. Beim Druck auf den „M2“-Button erstrahlt im Headup-Display des M6 plötzlich ein gigantischer, bunter Halbkreis, der die Drehzahl des Motors direkt ins Gesichtsfeld des Fahrers projiziert. Dies ist auch nötig, verlangt der „M2“ Modus doch Gangwechsel von Hand via Lenkrad-Paddels.

Du willst es doch auch!

Und genau als ich meine Erkundungstour durch die Untiefen der M6-Systeme beendet habe und meine volle Konzentration wieder der Straße gilt, hebt ein weiß-graues Schild das Tempolimit auf. Vor mir: gute 10 km fast schnurgerade, wie leer gefegte Autobahn. Instinktiv geht der Fuß ganz sachte auf's Gaspedal, was im manuellen Modus vor allem die Drehzahl nach oben treibt. Der Wagen beschleunigt sachte ein paar km/h und das leise Fauchen des V8-BiTurbo scheint zu mir zu flüstern: „Na los, du willst es doch auch!“ Das lasse ich mir natürlich nicht zweimal sagen. Während mich die übliche schwarze Business-Limousine am Baustellenende gerade versucht zu überholen, schnalzt mein Gasfuß nach unten und stellt es dem Bodenblech vor. Mit ohrenbetäubendem Gebrüll stemmt der BMW die Kraft von 560 Pferden auf die Hinterachse. Selbst bei etwa 90 km/h verlieren die fast 30 cm breiten Gummiwalzen der Räder kurzzeitig ihren Halt, weshalb mich die ESP-Warnlampe im Innenraum zornig anfunkelt. Doch während sich die Insassen der umliegenden Fahrzeuge noch erschrocken zu mir umdrehen, finden die Krallen des M6 neuen Halt und katapultieren das Gran Coupé Richtung Horizont. Die farbige Drehzahlanzeige blinkt alle paar Sekunden rot auf und mahnt mich zum Schalten. Knapp darüber blendet der M6 glücklicherweise die Geschwindigkeit ein. Denn bei dieser Beschleunigung traue ich mich nicht, den Blick von der Fahrbahn auf den Tacho zu richten.

Ritt der Walküre

Nach knapp acht Sekunden und etwa 350 Metern erreiche ich bereits 200 km/h, bei 240 km/h muss ich erst in den 5. Gang wechseln (insgesamt hat der M6 derer sieben). Einen Wimpernschlag später erwarte ich eigentlich ins elektronische Fangnetz zu rasen, dass das M6 Gran Coupé bei 250 km/h einfängt. Doch beim Pressetestwagen hat BMW offensichtlich die Vernunftbremse entfernt. Ansatzlos steigt die Zahl vor mir im Headup-Display auf 270 km/h. Die Welt jenseits der zwei leeren Fahrspuren vor mir scheint zu verschwinden. Der Blick verengt sich und wandert immer weiter gen Horizont. Die Straße ist gottlob noch immer frei, erst in einigen Kilometern kündigt ein dunkler Punkt ein erstes Hindernis an. Nur deswegen fasse ich mir ein Herz und lasse den rechten Fuß da, wo er die letzten 20 Sekunden gestanden hat: auf dem Gaspedal. Einen Augenblick später blitzt kurz eine „300“ im Headup-Display auf, womit zu diesem Zeitpunkt auch ohne weiteres meine Herzfrequenz gemeint sein könnte.

Keramik-Fangseil

Da mir und vermutlich allen anderen Verkehrsteilnehmern die Sache so nicht wirklich geheuer ist, gehe ich schnell wieder runter vom Gas und lasse die optionale BMW M Carbon-Keramik-Bremsanlage das erledigen, was die Elektronik zuvor unterlassen hat: die Bestie wieder einfangen. Zuerst nur zaghaft, um den Geradeauslauf nicht zu gefährden, als der Tacho jedoch in humane Sphären gefallen ist, lasse ich die Gold lackierten Bremsbacken richtig zupacken. Innerhalb von Sekunden fällt die Tachonadel, der mit deutlicher Verzögerung auch mein Puls folgt. Bei 130 km/h setze ich den Tempomat, lasse das Fahrzeug die Gänge wieder automatisiert wechseln. Nach dem Höllenritt hat sich die Walküre aus München wieder beruhigt, der V8 vor mir schnurrt nun zufrieden, entspannt und kaum hörbar vor sich hin.

Die Bestie kann auch sanft

So spule ich etwa die nächsten 200 km ab und komme entspannt wie selten an meinem Zielort an. Im M6 Gran Coupé reicht mir von jetzt an der Gedanke, dass man könnte. Am Ziel zieht das Flaggschiff aus München interessierte Blicke auf sich. Die meisten aufgrund der zum niederknien schönen Form und dem ungewöhnlichen Mattlack, anderen fällt dann doch das verchromte „M“ mit den verräterischen rot-blauen Fähnchen auf. Bei der Frage 'wie schnell der denn mache', werden bereits meine Hände wieder feucht. Dass auch das M6 Gran Coupé bei 250 km/h abgeregelt sein soll, will mir so recht keiner glauben. Also schiebe ich fast ein bisschen kleinlaut nach, dass der hier ausnahmsweise keine elektronische Fußfessel hat und theoretisch über 300 km/h drin wären. „Und die Kurvenlage?“ Die ist überraschend gut. Zwar merkt man beim Eintauchen in die Kehre, dass das BMW M6 Gran Coupé kein leichtfüßiger Sportwagen ist, doch wie zwei Tonnen, die gegen die Physik ankämpfen, fühlt sich das ganze nun wirklich nicht an.

Fazit

Als ich die Schlüssel für das BMW M6 Gran Coupé nach wenigen Tagen wieder abgeben muss, tue ich dies mit gemischten Gefühlen. Denn der Wagen war eine Wucht. Die Eleganz des Serien-6ers, gepaart mit der schwarzen Seele eines BMW M-Modells, schlägt unweigerlich in seinen Bann. Und auch der Innenraum ist eher Wohnzimmer zum Wohlfühlen als Arbeitsplatz. Das ganze wird dann noch vom bärenstarken V8 mit einer passenden Symphonie in Moll untermalt. Das M6 Gran Coupé könnte ein Auto zum Verlieben sein, wenn .. ja wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wäre. Da wäre zum einen der unanständig hohe Preis von 128.800 Euro in der Basis (!), der sich durch massig Optionen bei meiner Schönheit auf fabelhafte – im wahrsten Sinne des Wortes - 166.390 Euro summiert. Dazu kommen Spritkosten, die sich innerhalb von einem Jahr zum Gegenwert eines Kleinwagens addieren. Denn „artgerecht“ bewegt, verschlingt diese Bestie im Schnitt gut und gerne 20 und mehr Liter Super-Plus pro 100 km. Weniger als 13,6 l/100 km waren selbst mit viel Mühe nicht drin. Die anvisierten Eigner einer solch exklusiven und teuren Bestie dürfte das jedoch wenig schrecken. Wer mal eben 170.000 Euro – oder schmale 2.000 Euro pro Monat Finanzierungsrate – Locker machen kann, den stören auch 5.000 Euro Spritkosten pro Jahr nicht wirklich. Viel eher könnten diese monieren, dass es für das BMW-Flaggschiff nicht mal optional einen Abstandsregeltempomat (ACC) oder Allradantrieb gibt. Ersteres würde die Cruiser-Qualitäten des BMW 6er Gran Coupé besser zur Geltung bringen, letzteres dem Tier im Auto erst richtig auf die Sprünge helfen. Durch den reinen Heckantrieb lässt das schöne bayerische Biest nämlich viel Energie und Vorwärtsdrang auf der Straße liegen, während Allradgetrieben Konkurrenten wie Mercedes CLS 63 AMG 4MATIC und Audi RS7 Sportback vehement über alle Viere schieben und somit deutlich schneller los sprinten. Trotzdem ist und bleibt das BMW M6 Gran Coupé für mich der wohl schönste Dampfhammer der Welt, einfach die perfekte Mischung aus Schönheit und Biest!

Bewertung BMW M6 Gran Coupé

Exterieur-Design 1,3
Interieur-Design 1,5
Multimedia 1,5
Navigation 1,5
Fahrbetrieb 1,4
Verbrauch: 5,0
Kosten pro Jahr*
Anschaffungspreis Testfahrzeug 166.390 Euro
Kraftstoffkosten** 4.950,00 Euro
Steuern 332,00 Euro
Wertverlust 24.958,50 Euro
Gesamtkosten pro Jahr: 30.240,50 Euro
Testergebnis/Gesamtprädikat: 2,0
*Kosten pro Jahr setzen sich zusammen aus Kraftstoffkosten, Kfz-Steuer, errechnetem Wertverlust (15 Prozent p. a.) **Kraftstoffkosten bei 1,65 Euro/Liter Super-Plus und einer jährlichen Laufleistung von 15.000 Kilometern

Technische Daten BMW M6 Gran Coupé

Viertürige, viersitzige Luxus-Limousine
Länge/Breite/Höhe (m): 5,01/1,90/1,39
Radstand (m): 2,96
Motor:
V8-TwinTurbo
Hubraum: 4.395 ccm
Leistung: 412 kW/560 PS zwischen 6.000 und 7.000 Umdrehungen pro Minute
max. Drehmoment: 680 Newtonmeter von 1.500 - 5.750 Umdrehungen pro Minute
Höchstgeschwindigkeit: 300 km/h+ (Eigentlich bei 250 km/h abgeregelt
Beschleunigung 0-100 km/h:
4,2 s
Test-Verbrauch: 13,6 l/100 km
Verbrauch Hersteller: 9,9 l/100 km
CO2-Ausstoß Hersteller: 232 g/km
Schadstoffklasse: Euro 5
Energieeffizienzklasse: F
Ausstattung (Serie, Auswahl): Außenspiegel elektrisch verstellbar, beheizt, 20" Leichtmetallräder, Ledersitze 'Merino Feinnarbe', Dachhimmel außen in Alcantara Anthrazit, Dachhimmel Mitte in Leder (Polsterfarbe), M Sitz für Fahrer und Beifahrer, Sitzheizung für Fahrer und Beifahrer, Klimaautomatik mit 2-Zonenregelung, BMW Head-Up Display mit M spezifischer Darstellung, Geschwindigkeitsregelung mit Bremsfunktion, Park Distance Control (PDC) vorn und hinten, Adaptiver LED-Scheinwerfer, Regensensor und automatische Fahrlichtsteuerung, Radio BMW Professional mit CD-Laufwerk (Doppel-Tuner, MP3-fähig)
Gewichte/Zuladung
Leergewicht: 1.950
zul. Gesamtgewicht: 2.410 kg
Kofferraumvolumen: 460 l
Preise ab 128.800 Euro
Testwagen: 166.360
 
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