Test: Ducati Diavel – Teuflisch schwer einzuordnen

Die Herkunft ihres Namens ist klar: „Diavel“ sagt man in Bologna, der Heimat von Ducati, zum Teufel. Schwierig dagegen ist die Einordnung dieser nach dem Leibhaftigen benannten Ducati Diavel. Das unverkleidete 162 PS-Bike ist irgendwo anzusiedeln zwischen Powercruiser und Sportler oder Muscle Bike und Cafe Racer, überrascht dabei mit unerwartetem Komfort und taugt sogar für die Langstrecke. Zum stolzen Preis von 16.890 Euro erwirbt der solvente Besitzer einen echten Hingucker. Am meisten überrascht die Diavel bei Erstkontakt mit hoher Agilität – dank nur 210 kg Trockengewicht und trotz der von Pirelli entwickelten, mächtigen 240er Walze am Hinterrad.

Schier unaufhaltsam auf einer wahren Drehmomentwoge dahingleiten – selten hat diese Formulierung so viel Wahrheitsgehalt wie im Falle der Ducati Diavel. Satte 127,5 Nm bugsieren das diabolische Wesen und seinen tollkühnen Reiter über den Asphalt. Eingefleischte Ducatisti rümpfen die Nase: Kein metallisches Rasseln einer Trockenkupplung ist zu hören, denn für Kraftschluss sorgt in der Diavel eine moderne Ölbadvariante mit Anti-Hopping-Funktion. Der Motor heißt klangvoll [foto id=“427556″ size=“small“ position=“left“]“Testastretta“, stammt aus dem Superbike-Rennsport und befeuert auch die vielseitige Markenschwester Multistrada 1200 sowie die supersportliche 1198 R.

Die Abstimmung des Ducati-typischen 90 Grad-V2 im Italo-Kraftprotz ermöglicht schaltfaules Fahren und sorgt für enormen Druck aus dem Drehzahlkeller heraus. Wenngleich dieser noch extremer ausfallen könnte, hätte Ducati auf die hohe Spitzenleistung verzichtet. Haben die Techniker aus Borgo Panigale bei Bologna aber nicht, sondern für hohe Agilität und Sportlichkeit ein ungestüm hochdrehendes Triebwerk kreiert. Spätestens ab 5.500/min bricht die Hölle los. Die Teuflische wird ihrem Namen gerecht, denn in dieser Drehzahlregion ist sie zuhause. Genau darin liegt auch die Schwierigkeit, den Belzebub aus Bologna zu katalogisieren. Eindeutige Powercruiser wie die Yamaha MT-01 drücken schon unter 4.000/min ihre maximalen 150 Nm auf die Kette, die Yamaha VMAX 167 Nm immerhin bei 6.500/min. Der Drehzahlmesser der Diavel muss aber stolze 8.000/min anzeigen, ehe der Gipfel der Drehmomentkurve erreicht ist. Allerdings sind es schon ab 2.800/min [foto id=“427557″ size=“small“ position=“right“]satte 90 Nm, genug zum Dahincruisen. Und: Den Gipfel seiner Durchzugskraft erklimmt der Testastretta sehr leichtfüßig, brüllt dabei schon mit Serien-Auspuff wie der Leibhaftige und katapultiert so die besonders kurz übersetzte Diavel in weniger als drei Sekunden auf 100 km/h. Für die gebotene Leistung gehen 6,1 l/100 km Testverbrauch durchaus in Ordnung.

Die wie aus einem Stück gemeißelte Maschine wirkt optisch äußerst massiv, fast schon schwerfällig, beherbergt jedoch filigrane Elektronik, darunter: Keyless Go, ein LCD Cockpit und ein TFT-Farbdisplay am Tank. Dort sind unter anderem drei Fahr-Modi ablesbar und ermöglichen die Wahl zwischen „Urban“, „Touring“ und „Sport“. Dabei schwankt die über Ride-by-wire abgerufene Leistung zwischen 104 und 162 PS. Die Traktionskontrolle ist achtfach verstellbar und lässt sich somit der eigenen Fahrweise, dem Fahrbahnbelag oder der aktuellen Witterung anpassen. Fast so viel Spaß wie der Spurt macht die Entschleunigung der Diavel: Die 320er Doppelscheibe vorn (265 mm hinten) lässt sich gut dosieren. Falls man es trotzdem übertreibt, regelt das ABS von Bosch sehr feinfühlig.

Die Sitzmulde des Fahrers passt wie angegossen. Wegen des enormen Radstandes von fast 1,60 Metern fährt der Höllenreiter auf der Diavel ausgesprochen langgestreckt dahin. Das macht er bevorzugt alleine, denn eine Sozia genießt zwar [foto id=“427558″ size=“small“ position=“left“]zierliche Fußrasten und Haltegriffe, jedoch keinerlei Komfort. Der Kniewinkel des Fahrers geht bis 1,90 m Körpergröße in Ordnung, darüber empfiehlt sich eine Spezialbank, die die Sitzhöhe von 770 auf 810 mm ändert.

Fazit

Überhaupt verstärkt reichhaltiges Zubehör nochmals den Eindruck, dass die Diavel schon im Serientrimm auf den ersten Blick wie ein handgefertigtes Custombike wirkt. Spezialisten bieten etwa maßgeschneiderte Carbonteile sowie Komplettumbauten an. Die von uns getestete Diavel ist mit Rundum-Kohlefaser von Ilmberger Carbonparts ausgerüstet, was das Fahrzeuggewicht besonders an schwerpunktmäßig wichtigen, hohen Stellen wie dem Tank um weitere entscheidende Kilogramm senkt. Spätestens jetzt entpuppt sich die Ducati Diavel als leichtfüßiges Powerbike, das Bestnoten beim Cruisen am Großstadt-Boulevard mit hoher Sportlichkeit und ausreichendem Komfort außerorts vereint – eben kein Motorrad, das in irgendeine Kategorie passt.

Datenblatt: Ducati Diavel

Motor: Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-Vaumotor in L-Form, Hubraum 1.198,4 ccm, Leistung 119 kW/162 PS bei 9.500/min, max. Drehmoment 127,5 Nm bei 8.000/min, Sechsganggetriebe
Fahrwerk: Stahl-Gitterrohrrahmen, vorn komplett einstellbare Marzocchi UpsideDown-Gabel (50 mm), Aluminium-Einarmschwinge hinten, progressiv angesteuertes Sachs Mono-Federbein komplett einstellbar, Scheibenbremse vorn 320 mm (doppelt), hinten 265 mm
Maße und Gewichte: Radstand 1.590 Meter, Lenkkopfwinkel 62 Grad, Sitzhöhe 0,770 Meter, Trockengewicht 210 kg, Tankinhalt 17 Liter
Messwerte: Vmax 250 km/h, Test-Verbrauch: 6,1 Liter/100 km, Reichweite knapp 280 km
Preis: 16.890 Euro

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