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Infiniti
Holger Zehden – Infiniti baut um. Nicht nur, dass die Edelmarke von Nissan sich mit dem Q30 – dessen Studie auf der IAA 2013 zu sehen war – erstmals in die Kompaktklasse vorwagt. Die Japaner benennen auch gleich mal alle bestehenden Modellbaureihen um. Coupés und Limousinen erhalten seit vergangenem Jahr ein „Q“ als Modellbezeichnung, die SUVs heißen ab sofort „QX“. So rollte bei auto.de auch ein Fahrzeug vor, dass es so eigentlich nicht mehr gibt: der Infiniti M35h firmiert nämlich mittlerweile als Q70.
„Was fährst du denn da?“ Einen Infiniti. „Aha. Und von welcher Marke?“ Na von Infiniti. Genau so musste ich einem Bekannten erklären, was ich denn aktuell als Testwagen für auto.de am Start habe. Die Szene verdeutlicht beispielhaft, dass sich die Nobelmarke von Nissan in Deutschland bisher extrem schwer tut und teilweise noch nicht mal vom Namen her bekannt ist. Warum, wird in meinen Augen schnell deutlich: Bereits auf den ersten Blick sieht man der mittlerweile etwas in die Jahre gekommenen M-Baureihe bzw. dem Q70 an, dass er definitiv nicht für den Deutschen oder Europäischen Markt gestaltet wurde. Die Limousine ist ohne Zweifel eine imposante Erscheinung, jedoch für den hiesigen Geschmack zu bullig und zu gedrungen. Das alleine würde schon reichen, um die verwöhnten bis schwierigen Deutschen von einem möglichen Kauf abzubringen.
Beim Infiniti M kommt eine Motorenpalette hinzu, die deutschen Mägen so gar nicht schmecken möchten. Als Einstiegsmotor bieten die Japaner für ihre gehobene Mittelklasse einen 3.0-Liter V6-Diesel mit 238 PS. Übrigens der einzige Selbstzünder im Programm. Sparsamster Benziner ist der in meinem Testwagen verbaute Benzin-Hybrid, dessen Herz ein 3.5-Liter Sechszylinder ist, der von einem 68 PS starken E-Motor unterstützt wird. Während in Europa daneben nur noch ein 3.7-Liter V6 mit 320 PS zu haben sind, können Käufer in den USA die Limousine auch mit einem 5.6-Liter großen und 426 PS starken V8-Benziner ordern. Im Land wo Benzin in Strömen fließt, sind halt Verbrauchswerte von 12,4 l/100 km (nach EU-Norm!) kein Problem. Hierzulande kämpft Infiniti jedoch damit, im Jahr vierstellige Verkaufszahlen zu erreichen.
Auch ich setze mich nun erstmals ans Steuer eines Infiniti-Modells und will dabei testen, ob der Japaner ein echter Geheimtipp ist oder sein Schattendasein zu Recht fristet.[foto id=“496862″ size=“small“ position=“right“] Während sich die Konkurrenz im Segment aktuell anscheinend bemüht, mit immer grimmiger drein blickenden Modellen die Wettbewerber einzuschüchtern, schaut der Infiniti M35h fast freundlich. Mit weit ausgestellten Radkästen bläht der Infiniti jedoch imposant die Backen auf und gibt dadurch trotzdem eine auffällige Erscheinung ab. Das versucht der Infiniti auch im Innenraum, doch dem geschulten Auge fallen sofort die direkt von Nissan übernommenen Bauteile auf, die dort mittlerweile selbst das Kleinwagensegment erreicht haben. Davon abgesehen macht der Infinit eigentlich einen ganz ordentlichen Eindruck, wobei der hohe Anteil an hartem Kunststoff mit dem Premium-Look kontrastiert, den etwa die analoge Uhr in der Mittelkonsole verstärken soll. Wirklich schick gelöst finde ich die Regler für Sitzheizung und -belüftung, die statt der üblichen Drück- oder Kippschalter als edle Drehregler in den Mitteltunnel integriert wurden.
Abgesehen davon setzt der Infiniti M bei der Bedienung eher auf das klassische Konzept mit Einzelknöpfen. Der vermeintliche, zentrale Dreh-Drück-Regler im Mitteltunnel entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Wahlhebel für die Fahrmodi. Alle weiteren Funktionen werden über Knöpfe direkt an der Radio-Navigations-Einheit bedient. Das mag zwar auf den ersten Blick „altmodisch“ wirken, geht jedoch sehr leicht von der Hand. Zumal auch nur die wichtigsten Funktionen tatsächlich als Knopf in der Mittelkonsole gelandet sind. Alles andere funktioniert über Untermenüs. Das gleiche gilt für das Multifunktionslenkrad, das lediglich Schalter für Radio, Tempomat und Freisprecheinrichtung beherbergt. Sonderfunktionen – etwa Parksensoren, Lenkradheizung oder die automatische Entriegelung des Kofferraumdeckels – [foto id=“496863″ size=“small“ position=“left“]werden über Schalter links neben dem Lenkrad bedient. Da man diese Funktionen vornehmlich im Stand benötigt, geht das auch in Ordnung. Dass es sich bei meinem Testwagen um einen Hybrid handelt versteckt der Japaner auf den ersten Blick gekonnt. Lediglich ein kleines, zusätzliches Rundinstrument im Armaturenbrett zeigt an, ob sich der Elektromotor im Schub- oder Lademodus befindet.
Bis jetzt ist der Infiniti M nicht wirklich aufregend, macht aber ansonsten einen recht ordentlichen Eindruck. Die Ledersitze sind zwar etwas glatt, aber dafür äußerst bequem. Das Platzangebot geht in Ordnung, passt jedoch eher zur unteren Mittelklasse. Das gilt sowohl für Bein- und Kopffreiheit im Fond, als auch für den Kofferraum, der bei der Limousine bis zu 500 Liter schluckt. Doch durch die Akkus, schrumpft der Stauraum des Hybriden auf nur noch 350 Liter.
Nun aber zum Wesentlichen, den Fahreigenschaften des massigen Hybriden. Mit Druck auf den Start-Knopf erwacht der großvolumige V6-Benziner vor mir zum Leben. Passend zum eher gediegenen Eindruck der Limousine, schnurrt der Sechszylinder angenehm sonor vor sich hin, statt auf Sportwagen zu machen und schon im Stand wild zu fauchen. Beim ersten Tritt aufs Gaspedal flüstert die 1.8 Tonnen schwere Limousine rein elektrisch von dannen. Doch der Elektromotor stößt beim Anfahren schnell an seine Grenzen und holt sich Unterstützung vom Verbrenner. Lässt man sich vom zögerlichen Vortrieb jedoch verleiten das Gaspedal kräftig durch zu latschen, scheinen beim Infiniti M alle Dämme zu brechen. Satte 364 Pferde aus V6 und E-Motor katapultieren den Japaner mit beeindruckendem Sound noch eindrucksvollerem Vortrieb vom Fleck. [foto id=“496864″ size=“small“ position=“right“]
„Aha“ denke ich mir. „Wieder so ein Hybrid, bei dem der E-Motor nur im Normzyklus Verbrauch und CO2-Ausstoß künstlich drücken soll.“ Denn bei der eben frei gesetzten Power erreicht dieses Hybrid-Monster niemals 6,9 Liter Verbrauch, wie vom Hersteller angegeben. Richtig? Nicht ganz. Lässt man sich dazu hinreißen, den Pferdchen unter der Haube des Japaners freien Lauf zu lassen, rast der Infiniti M in nur 5,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h – immerhin 0,5 Sekunden schneller als ein Porsche Panamera S Hybrid – und rennt erst bei 250 km/h in den elektronischen Begrenzer. Doch bei derartigen Vollgas-Arien lässt der Infiniti auch beim Verbrauch den Porsche Panamera S Hybrid deutlich hinter sich, vernichtet locker 17 Liter Benzin pro 100 km.
Trotzdem dürfte der Infiniti-Fahrer hierzulande vom Porsche meist nur die Rücklichter zu sehen bekommen. Denn während der Stuttgarter in bester Sportwagenmanier wie ein Brett auf der Straße liegt, ist das Infiniti-Fahrwerk sehr auf Komfort getrimmt. In zügig gefahrenen Kurven neigt sich die Karosserie deutlich spürbar Richtung Kurvenäußeres. Will [foto id=“496865″ size=“small“ position=“left“]man dennoch das Tempo weiter anziehen, nimmt einem das ESP rechtzeitig bzw. frühzeitig – je nach Blickwinkel – den Wind aus den Segeln. Zudem gibt die synthetisch wirkende Lenkung kaum Rückmeldung von der Straße.
Nachdem ich mich also von den dynamischen Qualitäten des Infiniti M35 überzeugt habe, schalte ich den Hybriden vom Sport- in den Eco-Modus und gleite gemächlich wieder gen Leipziger City. Der Verbrauch im Bordcomputer scheint dabei plötzlich ins bodenlose zu fallen. Bereits nach wenigen Kilometern mit 130 km/h sind aus den 17 Litern wieder 12 geworden. Tendenz stark fallend. Auf dem letzten Stück Landstraße in die Stadt plötzlich die Überraschung: in einer Passage mit Tempolimit 80 schaltet sich der Motor plötzlich ab. Trotzdem wird der Wagen nicht langsamer. Ein Blick auf den kleinen Hybrid-Tacho zeigt an, dass der E-Motor allein übernommen hat. Entsprechend purzelt der Verbrauch weiter. Hat man auch in der Stadt halbwegs freie Fahrt, ist darum ein Verbrauch von sieben bis acht Liter pro 100 km durchaus realistisch. Für ein 1.8-Tonnen schweres Auto mit 364 PS ein durchaus respektabler Wert.
Trotzdem ist der Infiniti M hierzulande eine absolute Rarität im Straßenbild und wird es auch als Q70 bleiben. Die bullige Optik mag zwar auch hierzulande den ein oder anderen Anhänger finden, doch die Motoren, mit mindestens 3,0-Litern Hubraum dürften die meisten aller Interessenten vom Kauf abschrecken. Dabei lässt sich der potente 6-Zylinder-Hybrid sogar sparsamer bewegen als so mancher hochgezüchtete Turbo-Vierzylinder. Zusätzlicher Hemmschuh für den Infiniti M bzw. Q70 ist sicherlich der Preis, der mit 53.990 Euro Basispreis und 62.840 Euro für meinen Testwagen so manchem braven Deutschen alles Blut[foto id=“496866″ size=“small“ position=“right“] aus dem Gesicht weichen lässt. Denn damit stößt der Infiniti vermeintlich in ein Preisniveau vor, das bei uns nur deutschen Premiummarken vorbehalten ist. Der kleine aber feine Unterschied ist jedoch, dass etwa ein BMW ActiveHybrid5 erst bei 64.900 Euro startet, während beim Infiniti M35h bzw. Q70 GT Hybrid Premium die Vollausstattung dann schon inbegriffen ist. Objektiv betrachtet, ist der Edel-Hybrid aus Japan durchaus ein Schnäppchen, wenn man in diesen Dimensionen noch von „Schnäppchen“ reden darf.
Beim Interieur merkt man dem Japaner allerdings sein Alter von mittlerweile fast vier Jahren Bauzeit an. Zwar würde ich das Gesamtpaket durchaus noch als Gut bewerten, doch viele Details kann man heute einfach besser machen, etwa die platzsparende Unterbringung der Akkus, ohne Verlust an Stauraum. Trotzdem bin ich nach meiner ersten Fahrt mit einem Infiniti positiv überrascht und um so gespannter auf künftige Modelle wie den Q50, der noch in diesem Frühjahr die G-Baureihe ablösen wird. Sowie den kompakten Infiniti Q30 auf Basis der Mercedes A-Klasse, zumal mit Letztem endlich Europa-taugliche Motoren von Renault und Mercedes Einzug ins Portfolio halten sollen. Vielleicht gelingt Infiniti mit den neuen „Q’s“ ja endlich der große Coup diesseits des Atlantik. Der aktuelle Infiniti Q70 Hybrid – ehemals bekannt als M35h – ist für Freunde komfortabler Autos mit viel Hubraum aber auch heute bereits ein echter Geheimtipp.
Exterieur-Design | 2,2 |
Interieur-Design | 2,0 |
Multimedia | 1,9 |
Navigation | 1,8 |
Fahrbetrieb | 2,1 |
Verbrauch: | 2,0 |
Kosten pro Jahr* | |
Anschaffungspreis Testfahrzeug | 62.840,00 Euro |
Kraftstoffkosten** | 1.856,25 Euro |
Steuern | 168,00 Euro |
Wertverlust | 9.426,00 Euro |
Gesamtkosten pro Jahr: |
11.450,25 Euro |
Testergebnis/Gesamtprädikat: |
2,0 |
*Kosten pro Jahr setzen sich zusammen aus Kraftstoffkosten, Kfz-Steuer, errechnetem Wertverlust (15 Prozent p. a.) |
Viertürige, fünfsitzige Limousine der oberen Mittelklasse | |
Länge/Breite/Höhe (m): | |
Radstand (m): | |
Motor: | V6-Benziner plus Elektromotor |
Hubraum: | 3.498 ccm |
Leistung: |
225 kW/ 306 PS Benziner 268 kW/364 PS Systemleistung |
max. Drehmoment: | 350 Nm Benzinmotor 270 Nm Elektromotor |
Höchstgeschwindigkeit: | 250 km/h (abgeregelt) |
Beschleunigung 0-100 km/h: |
5,5 s
|
Test-Verbrauch: | 7,8 l/100 km |
Verbrauch Hersteller: | 6,9 l/100 km |
CO2-Ausstoß Hersteller: | 159 g/km |
Schadstoffklasse: | Euro 5b+ |
Energieeffizienzklasse: | k.A. |
Ausstattung (Serie,Auswahl): |
6 Airbags, 7-Gang-Automatikgetriebe, Regen- und Lichtsensor, Geschwindigkeitsregelung und Begrenzer, 18-Zoll-Alufelgen, Beheizbare, elektrisch anklappbare Außenspiegel, Bi-Xenon-Scheinwerfer mit adaptivem Kurvenlicht, Nebelscheinwerfer und Nebelschlussleuchten, Schlüsselloser Zustieg, Elektrische Fensterheber an allen Türen, Rückfahrkamera mit Display, Parksensoren vorn und hinten, Zwei-Zonen-Klimaregelung, Elektrisches Glasschiebedach, Bose Premium Sound System, Bluetoothschnittstelle für Freisprechen und Audistreaming, Beheizbares Multifunktionslenkrad, Ausstattung in japanischem Eschenholz, Ledersitze, 10-fach Elektrisch verstellbar (Fahrer- und Beifahrersitz) mit Memory-Funktion, Beheizbare und belüftete Sitze vorn, ISOFIX-Befestigungspunkte auf dem Rücksitz |
Gewichte/Zuladung | |
Leergewicht: | 1.830 kg |
zul. Gesamtgewicht: | 2.400 kg |
Kofferraumvolumen: | 350 l |
Preise | ab 53.990 Euro |
Testwagen: | 62.840 EUro |
geschrieben von Holger Zehden/auto.de veröffentlicht am 16.01.2014 aktualisiert am 16.01.2014
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