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Tesla Model S
Lange hat es gedauert, nun wagt Tesla den Sprung ins Mutterland des Automobils. Ein schwieriges Pflaster, denn nirgends wollen die Menschen schneller fahren, nirgendwo wird mehr über Kleinigkeiten genörgelt und kaum ein anderes Land wehrt sich so vehement gegen den Umstieg, weg vom Verbrennungsmotor. Dennoch scheint Tesla auch hierzulande viel Sympathien zu genießen, wie ich während meines einwöchigen Alltagstests mit dem Model S erfahren durfte.
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Zum Glück scheint Tesla sich nun auf Europa eingeschossen zu haben, denn fast zeitgleich mit unzähligen PR-Veranstaltungen, kam die Zusage für einen Testwagen. Eine Woche lang durfte ich ein Model S in der Performance-Variante testen, abzuholen in Berlin. Moment, ein Elektroauto auf Achse holen? Alle anderen bisher bei uns getesteten Stromer wurden auf dem Hänger geliefert. Okay, Berlin ist mit knapp 200 km auch deutlich näher als etwa München oder Köln. Trotzdem schlottern den meisten Besitzern von reinen Elektroautos bei solchen Entfernungen die Knie. Nicht so bei Tesla. Als ich am Tesla-Service-Center – nahe des Flughafens Berlin Schönefeld – den Schlüssel zu meinem Testwagen in die Hand gedrückt bekomme, schätzt der nette Herr von Tesla: „Sie fahren ja eigentlich nur Autobahn bis Leipzig. So 160 km/h bis 180 km/h sollten da kein Problem sein“. Wie bitte? So schnell fahren die meisten Stromer nicht mal. Doch so weit, dass ich losfahren kann, bin ich noch lange nicht.
In der Garage bei Tesla stehen gut ein halbes Dutzend Model S. Als Testwagen hat man natürlich ein auffällig rotes Fahrzeug gewählt. Mir nur recht, knallige Farben machen sich auf Fotos ohnehin besser. Gerade in dieser Farbe wird deutlich; das Model S ist absolut ein Hingucker, aber aufgrund der schnittigen Linienführung und nicht, weil bereits die Optik schreit: „Ich bin anders, ich fahre elektrisch“. Der erste Aha-Effekt kommt bereits vor dem Einsteigen. Nähert man sich dem verschlossenen Model S mit Schlüssel in der Tasche, fahren die zuvor komplett versenkten Türgriffe heraus. Im Innenraum folgt der nächste, ungläubige Blick. Statt klassischer Mittelkonsole prangt hier ein 17-Zoll großer Touchscreen, der den aktuellen Ladezustand des Tesla anzeigt: Voll geladen, Reichweite nach Norm 502 km!
Neben dem Akkustatus kann man sich frei konfigurieren, was genau man auf dem großen Bildschirm sehen möchte. Durch einen Druck auf die Symbole in der oberen Leiste oder per Drag-and-Drop zieht man sich die gewünschten Elemente zurecht. Zwar ist die formatfüllende Google-Satelliten-Karte beeindruckend anzuschauen, mich interessiert jedoch vor allem der Energieverbrauch. Der erscheinende Graph mit seinem Sägezahn-Muster macht deutlich, dass der Fahrer vor mir den Verlockungen von 421 PS die im Tesla schlummern, offenbar nicht widerstehe konnte. Da ich ja ankommen will, nehme ich mir jedoch vor, es ruhiger angehen zu lassen.
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Da die Bedienung über einen Touchscreen trotz groß gehaltener Schaltflächen während der Fahrt nicht ganz einfach ist, lassen sie die wesentlichen Funktionen auch über das Lenkrad steuern. Denn auch als Armaturenträger verfügt das Tesla Model S über einen großen LCD-Screen, der mittig stets den Akkustand und die damit zu erzielende Norm-Reichweite anzeigt. Links daneben wird je nach Situation der aktuelle Radiosender oder vorinstallierte Navigationskarten eingeblendet. Das ist auch ganz gut so, denn während der Fahrt auf der Autobahn kam die Internetverbindung mit dem nachladen der Google-Maps-Karten ab und zu nicht nach. Im rechten Teil des Armaturenbretts lassen sich Funktionen wie Klimaanlage oder das Schiebedach steuern. Ohne Eingaben des Fahrers wird die Energiebilanz des Fahrzeugs dargestellt.
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Als nächstes will ich den Wagen starten, doch es gibt weder Zündschloss noch Startknopf. Der Tesla ist schlicht direkt nach dem Einsteigen bereit. Die Fahrmodi werden wie bei einer Automatik über einen Wahlhebel hinter dem Lenkrad bedient. Einfach „D“ auswählen und los geht’s. Lautlos flüstert das Model S vom Hof, praktisch direkt auf die Autobahn, wo es sofort vorbei ist mit der Vernunft. Um noch vor einem Lkw in die Spur zu kommen, drücke ich das Gaspedal voll durch worauf mir augenblicklich 600 Nm ins Kreuz latschen. Einen derartigen Vorwärtsdrang erlebt man sonst nur in Supersportlern, bei denen die Motoren dabei ohrenbetäubend los brüllen. Im Tesla hört man jedoch davon nichts. Besonders befremdlich ist das ganze aus dem Stand, wenn die Hinterräder des Tesla – ansonsten flüsterleise - mit der Bodenhaftung ringen. Da auf dem Berliner Ring entweder Tempolimit 120 herrscht,
oder der Verkehr selbst dieses nicht zulässt, setze ich den Tempomat zunächst bei gemütlichen 120 km/h. Dabei fällt mir auf, dass der Tesla nur über einen althergebrachten Tempomat mit Limiter, ohne Abstandsradar verfügt. Generell sieht es beim Model S – trotz Ambitionen zur Oberklasse – mehr als Mau aus, was Assistenzsysteme betrifft. Selbst mittlerweile gängige Helfer, wie Parklenk-, Toter-Winkel- oder Spurassistent gibt es hier nicht mal gegen Aufpreis.
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Aber dafür habe ich zunächst kein Auge, denn die wandern dauernd zwischen Straße und Reichweitenanzeige hin und her. Da die sich jedoch kaum bewegt, erhöhe ich die Geschwindigkeit auf 140 km/h und ertappe mich dabei, dass ich bei Überholmanövern von Mal zu Mal schneller werde. Kurzer Sprint auf 180 km/h und wieder ausrollen lassen. Als ich in Leipzig einrolle, veranschlagt der Bordcomputer noch immer knapp 200 km Restreichweite. Trotzdem hänge ich den Tesla an die nächste Ladesäule, denn an Tag zwei steht ebenfalls eine längere Fahrt bevor.
Neben der Angst liegen zu bleiben, ist eines am häufigsten angebrachten Argumente gegen Elektroautos die benötigte Zeit um die Akkus zu laden. Beim Tesla Model S mit 85 kWh Kapazität würde eine Ladung an der Haushaltssteckdose stramm 27 Stunden dauern. Wohl dem, der an eine Ladesäule kann. Die der Stadtwerke Leipzig, die wir mit benutzen dürfen, liefern bereits bis zu 32 Ampere. Damit lade ich meinen etwa noch halb vollen Akku in etwa 2,5 h wieder voll. Heute will ich jedoch testen, wie schnell das ganze bei den hauseigenen Tesla-Superchargern geht. Der nächste von uns aus, steht an der A2 bei Magdeburg. Also wird die Familie für einen Wochenendausflug eingepackt. Platz hat das Tesla Model S genug, zumindest zum Verstauen von Gepäck. Das klassische Gepäckabteil schluckt bereits stolze 744,7 bis 1645,2 Liter. Da der Motor beim Tesla jedoch zwischen den Hinterreifen sitzt, finden unter der Haube des Model S noch mal 150,1 Liter Gepäck platz. Die Kopffreiheit im Fond lässt hingegen zu wünschen übrig. Bereits ab einer Körpergröße von etwa 1,75 Meter stoßen Passagiere hier wortwörtlich an die Grenzen bzw. das Dach des Fahrzeugs.
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Immer seltener wandert der Blick auf das Energie-Diagram mit der prognostizierten Reichweite, denn man entwickelt doch recht schnell ein Gefühl dafür, wie weit man bei welchem Tempo kommt. Da ich mit der Energie nicht haushalten muss, stromere ich mit etwa 150 km/h die A14 entlang, durchs sachsen-anhaltinische Nirgendwo. Hier fehlt über weite Strecken die mobile Internetverbindung, weshalb in der Mittelkonsole keine aktuellen Karten von Google-Maps nachgeladen werden. Doch dank vorinstallierter Karten-Darstellung im Armaturenbrett, finde ich trotzdem sicher mein Ziel. In Magdeburg angekommen, fällt mir wieder auf, wie harmonisch sich das Tesla Model S ins Straßenbild einfügt, der konventionellen Optik – was hier absolut positiv gemeint ist – sei Dank.
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Nach einem kurzen Bummel durch die Innenstadt soll es zum Strom-Zapfen gehen. Dafür sind im Tesla die Standpunkte aller Supercharger vorgemerkt. Eine Umkreissuche ist leider ebenso wenig möglich wie das Berechnen alternativer Routen. Hier sollte Tesla noch etwas nachbessern. Vor allem weil die Karten-Spendende Google-Software derartige Funktionen zu bieten hat. Trotzdem ist der Supercharger auf dem Autohof an der A2 gefunden. Um freie Stellpätze muss hier keiner bangen, denn an den sechs Ladestationen herrscht gähnende Leere. Da Tesla das Ganze bisher noch komplett kostenfrei anbietet, gestaltet sich das Nachladen auch kinderleicht. Die Chargeport genannte Ladebuchse am Auto öffnen, Ladekabel von der „Zapfsäule“ nehmen, anstecken, fertig.
Sofort erscheint im Fahrzeug der Ladebildschirm. Statt mit 28 bis 32 Ampere wie in Leipzig, presst der Supercharger neue Energie mit einer Stromstärke von bis zu 182 Ampere in die Akkus des Tesla. Hier kann man dem Ladebalken im Tesla nicht nur förmlich sondern tatsächlich beim Steigen zusehen. In nur 30 Minuten ist mein halb Leerer Akku wieder (so gut wie) voll.
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Laut Norm würde diese Energie für 250 km reichen, doch unter Normalbedingungen sind eher 150 – 200 km realistisch. Gegen Ende der Testwoche hat sich die Reichweite pro Akkuladung irgendwo zwischen 300 und 400 km eingependelt, je nach Fahrweise. Auf maximale Reichweite habe ich dabei nie geachtet, wohl aber im Alltag nach und nach die Beschleunigungsorgien weg gelassen. Wer das Model S hingegen konstant an den elektronisch begrenzten 210 km/h bewegt, dem dürfte nach nicht mal ganz 100 km der Saft ausgehen. Wer hingegen gemütlich mit 100 km/h über die Landstraße gleitet, schafft die 502 km Normreichweite und mehr.
Auf der Rückreise drängt die Zeit etwas, der Tempomat wird bei 160 km/h gesetzt. Trotz Eingewöhnungszeit ist es immer noch ein komisches Gefühl, rein elektrisch so schnell, weit und komfortable zu reisen. Den Rest meiner 7-tägigen Testphase verwende ich den Tesla vor allem in der Leipziger City und erlebe mit dem Exoten immer wieder lustige Momente. Etwa als ich den Wagen vor meiner Wohnung parke und beim Aussteigen über den lautlosen Sportwagen ausgefragt werde. Oder dass ich immer wieder beobachten kann, wie sich um den unter meinem Fenster geparkten Tesla immer wieder kleine Grüppchen scharen, sobald mal jemand den Sportwagen als Tesla Model S identifiziert hat. Verstörte Blicke erntete ich auch beim Einkaufen, als ich meine Einkaufstüten unter der vermeintlichen Motorhaube des Fahrzeugs verstaue und danach noch Getränke in den Kofferraum hieve. Generell schauen die Leute beim Tesla nicht nur mal eben hinterher. Immer wieder werde ich angesprochen, ernte anerkennendes Nicken, ab und zu sogar mal einen nach oben gereckten Daumen. Das Image der Amerikaner scheint jedenfalls schon mal zu stimmen.
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Mein Fazit nach sieben intensiven Tagen mit dem Tesla Model S? Es kommt drauf an, wie man es betrachtet. Als Oberklasse-Konkurrenz zu Porsche Panamera, BMW 7er oder Mercedes S-Klasse kann das Model S nicht mal im Ansatz mithalten. Denn neben den kleinen Aha-Effekten mit den Türgriffen oder dem gigantischen 17-Zoll-Screen fehlt es dem Tesla an Assistenzsystemen, Komfortausstattung und Kopffreiheit im Fond. Auch die Verarbeitung kann mit dem alt eingesessenen Oberklasse-Adel nicht Schritt halten.
Bewertet man das Tesla Model S jedoch (auch) als das, was es ist – ein Elektroauto – kennt die Begeisterung kaum Grenzen. Denn woran alle großen Autohersteller bisher scheitern, macht Tesla auch im Alltag vor. Realistische Reichweiten von 400 km und mehr, eine eigene Infrastruktur die in Rekordzeit die Akkus lädt. Am höchsten rechne ich Tesla aber an, dass ihr Auto nicht nur technisch, sondern auch optisch alltagstauglich ist. Denn Hand aufs Herz – Schönheiten sind Nissan Leaf, BMW i3 oder Mitsubishi i-MiEV nicht.
Mit einer ansprechenden Optik, alltagstauglicher Reichweite und enormen Fahrspaß, hätte das Tesla Models S absolut das Zeug dazu, auch den härtesten Kritiker von rein elektrischer Mobilität zu überzeugen. Zumindest solang man nicht über den Preis redet, denn der hat es bisher noch in sich. Mindestens 65.300 Euro verlangt Tesla für ein Model S mit 306 PS und 60 kWh-Akku. Die Performance-Variante ist erst ab 87.700 Euro zu haben, mein Testwagen käme – inklusive 4 Jahren all Inclusive Service – auf stolze 120.320 Euro. Für eine Firma ohne große Vorkenntnisse im Fahrzeugbau, ist das Tesla Model S jedoch ein beeindruckendes Erstlingswerk und das aktuell beste Elektroauto der Welt.
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geschrieben von Holger Zehden veröffentlicht am 19.09.2014 aktualisiert am 22.07.2020
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