Mitten im Frühling kommen auf dem Rücken der Zero FX Erinnerungen an Felix Neureuthers Slaloms des letzten Winters hoch: Ungefähr wie Felix im Zielschuss kommt man sich vor, wenn man im Sattel der wieselflinken Elektro-Enduro durch den Stadt-Verkehr oder über kurvige Landstraßen flitzt.
Das Fehlen von Motorsound ist kein Makel, sondern entpuppt sich sogar als Segen: Vor lauter Stille konzentrieren sich die Sinne des Zero-Piloten umso mehr auf die extreme Beschleunigung, aufs willige Kurvenräubern oder die brachiale Verzögerung. Und so steigert sich nochmals der Eindruck höchster Fahrdynamik.
Keine Frage: Die Zero FX aus dem nordkalifornischen Santa Cruz ist wahrlich ein krasses Fahrspaßgerät. 33 kW/44 PS Leistung entfaltet der bürstenlose Permantentmagnetmotor unter der mattschwarzen Tankattrappe der FX. Das klingt nicht gerade imposant, relativiert sich aber durch gewaltige 95 Nm Drehmoment, die Elektrofahrzeug-typisch von der ersten Rotation des Motors an voll anliegen und das nur 131 kg leichte Federgewicht mit voller Wucht nach vorne katapultieren. So erklärt sich der extrem rasante 0-auf-100-Sprint in nur vier Sekunden.
Interessant für Motorrad-Neulinge: Fürs Lenken der Zero FX reicht die Fahrerlaubnis der Klasse A2. Ein Bosch-ABS sorgt für Sicherheit beim Bremsen und kann bei Bedarf - etwa im Gelände - komplett ausgeschaltet werden. Den Fahrspaß erhöhen hochwertige Komponenten wie voll einstellbare Federelemente (Upside-Down-Gabel vorn, Federbein mit externem Reservoir hinten) von Showa. Das bringt lange Federwege: 218 mm vorn und 227 mm hinten.
Zur extrem empfundenen Längsbeschleungigung gesellt sich insgesamt ein extrem impulsives Fahrverhalten. Der Neuling im FX-Sattel glaubt sofort, er könne auf der Fläche einer Zwei-Euro-Münze Kehrtwenden machen. Das Vorderrad hebt mit Leichtigkeit ab, das strombetriebene Katapult aus Kalifornien bleibt dennoch beherrschbar. Alles fühlt sich extrem und dennoch kontrollierbar an - ungetrübter Fahrspaß eben. Fast, denn bei der Reichweite sind allen Elektrobikes Grenzen gesetzt, und der Zero FX ganz besonders. Denn der Hersteller stattet sein Spaßgerät lediglich mit 2,8 oder 5,7 kWh starken Lithium-Ionen-Akkus aus. Obwohl wir mit dem stärkeren Stromspeicher unterwegs waren, zeigte das Instrument nach 66 Kilometer gemischtem Einsatz nur noch 15 Prozent Restkapazität an. Nominell ist nach bestenfalls 113 km Ebbe in den Akkus, schlimmstenfalls sind sie laut Zero bei konstant 113 km/h auf der Autobahn schon nach 48 km leergesaugt.
Soviel zur weit verbreiteten Reichweitenangst in Bezug auf dieses hyperagile Elektromotorrad. Denn klar ist auch: Ein urbanes Funbike wie die Zero FX "Stealth" wird man selten weiter als ein paar Dutzend Kilometer bewegen. Die schlanke, hochaufgeschossene Stadtenduro ist wie geschaffen als Zweitmotorrad nur für überschaubare Einsätze. Zu denen gehören eben keine längeren Touren - aus Gründen der Reichweite, aber auch wegen der Ergonomie, die auf kurzfristig maximalen Fahrspaß ausgelegt ist, nicht auf Langstreckenkomfort. Zu schmal und hart ist die 881 mm hohe Sitzbank, zu fahraktiv die Position des Piloten. Der lässt sich gerne voll vereinnahmen von der extremen Fahrdynamik der nackten Stromerin und schaut nach einiger Eingewöhnung immer lässiger der Ebbe im Akku entgegen. Selbst das Fehlen von Kupplungs- oder Schalthebel erscheint nach ein paar Dutzend Kilometern als völlig normal.
Nachladen ist im Gegensatz zu anderen Zero-Modellen hier nicht über ein Ladekabel in der Tankattrappe möglich. Der Platz fehlt einfach bei der zierlichen FX. Eine mögliche Lösung: Der Mittransport im Motorrad-Rucksack. Dann genügen bei absolut leergesaugtem Akku an einer üblichen Steckdose 7,8 Stunden bis zur hundertprozentigen Wiederaufladung. An einem speziellen Ladegerät hingegen dauert es überschaubare dreieinhalb Stunden. Wer also zum Beispiel in der heimischen Garage und am Arbeitsplatz eine Steckdose hat, wird mit der Zero FX sorgenfrei und extrem fahrvergnüglich den täglichen Weg zur Arbeit und nach Hause bewältigen - und sich dabei über rund 1,20 Euro je Akkuladung freuen.Wartungsarbeiten sind dem Zero FX-Piloten praktisch fremd. Trotz der hohen Agilität hält sich selbst der Bremsenverschleiß in überschaubaren Grenzen, da der Permanentmagnetmotor mit einem hocheffizienten Drei-Phasen-Controller samt regenerativem Bremssystem zusammenarbeitet. Verzögerung bringt also Antriebskraft, anstatt nur die Bremsbeläge zu verschleißen. Der Carbon-Riemenantrieb ist ebenfalls nahezu wartungsfrei. Weitere übliche Arbeiten wie Ölwechsel, Ventile einstellen oder Zündkerzenwechsel fallen ohnehin weg beim Elektro-Bike. Die Lebensdauer des 5,7-kWh-Akkus beziffert der kalifornische Elektrobike-Weltmarktführer Zero auf 2.500 Ladezyklen. Selbst nach 254.000 km soll die Leistungsfähigkeit noch bei 80 Prozent liegen. Deshalb gewährt Zero in Europa nicht nur zwei volle Jahre Garantie aufs gesamte Fahrzeug, sondern eine Fünf-Jahres-Garantie bei bis zu 80.000 km auf den Lithium-Ionen-Akku.
All diese Faktoren, die zu niedrigen Unterhaltskosten der Zero FX führen, relativieren den hoch klingenden Einstiegspreis: 9.890 Euro mit dem schwächeren 2.8-kWh-Akku, 12.230 Euro für die von uns getestete Variante mit 5,7-kWh-Akku. Und sieht man das Leistungsgewicht der stärkeren FX von 2,98 kg/PS sowie deren 95 Nm Schubkraft, so darf man das kalifornische Spaßgerät preislich sicher nicht mit anderen 44 PS-Motorrädern vergleichen.
So oder so: Eine Probefahrt lohnt sich in diesem Fall mehr als bei jedem anderen Motorrad, um zumindest die neue Art des fast lautlosen Bikes kennenzulernen - und ihr vielleicht auf Dauer zu verfallen.