Tradition: 100 Jahre elektrische Autoscheinwerfer – Von der Kerzenlampe zum Kurvenlicht

Darin sind sich Unfallforscher einig: Intelligente Scheinwerfer- und Nachtsichtsysteme zählen zu den wichtigsten Sicherheitsausstattungen neuer Autogenerationen, denn noch immer steigt das tödliche Unfallrisiko bei Dunkelheit auf das Doppelte. Weit größer waren jedoch die Probleme in den Pioniertagen der Motorisierung. Mussten doch die Motorkutschenfahrer bei anbrechender Nacht ihre von Kerzen- oder Karbidglimmer kaum beleuchteten Autos in den Garagen lassen, wollten sie einen lebensgefährlichen Blindflug vermeiden.

Erstmals Licht ins Dunkle brachte die Erfindung eines kompletten elektrischen Beleuchtungssystems der schwäbischen Firma Bosch vor genau 100 Jahren. Das sogenannte Bosch-Licht ersparte es dem Autofahrer, Scheinwerfer, Lichtmaschine und Lichtmaschinen-Regler aufwendig als Einzelteile von verschiedenen Zulieferern zu kaufen. Dennoch dauerte es viele Jahre, bis sich elektrisches Licht endgültig durchsetzte.
 
So empfahlen Fachzeitschriften und Handbücher wie „Das moderne Automobil“ noch um 1920 eine Doppelstrategie aus kleinen Laternen für den Stadtverkehr, gespeist aus Batterien oder Petroleum und großen Lampen für Landstraßenfahrten, die oft durch in Gasflaschen komprimiertes Acetylengas betrieben wurden. Diese Acetylenscheinwerfer – besser bekannt als Karbidlampen – hielten sich trotz des schwachen Gaslichts und des üblen Karbid-Geruchs lange. Schien doch dieses Beleuchtungssystem vielen Autofahrern zuverlässiger als die zunächst von Batterien und später vom Dynamo versorgte elektrische Beleuchtung. Sogar das erste Abblendlicht wurde 1908 für Acetylenscheinwerfer entwickelt. Über einen Handhebel und Bowdenzug konnte der Chauffeur die Gasflamme aus dem Brennpunkt rücken lassen und so neuen Polizeiverordnungen für den Stadtverkehr gerecht werden. Während nämlich etwa die erste Polizeiverordnung für Preußen aus dem Jahr 1901 lediglich forderte: „Während der Dunkelheit und bei starkem Nebel müssen die Laternen brennen“, wurde mit richtigen Scheinwerfern auch die Gefahr der Blendung des Gegenverkehrs erkannt. Beliebt waren deshalb separate Scheinwerferpaare für Abblend- und Fernlicht. Dem Reichsverkehrsministerium der Weimarer Republik genügte dies nicht. Die Politiker verfügten 1921 eine Dauerabblendung nach amerikanischem Vorbild. Mit der Folge steigender Unfallzahlen bei Nachtfahrten, denn die Gesetzesinitiatoren hatten nicht bedacht, dass in den USA Straßen weit besser beleuchtet waren als in Deutschland.
 
Als Geniestreich gefeiert wurde deshalb die Erfindung der Zweifaden-Glühlampe, die der Lampenhersteller Osram 1924 vorstellte. Erstmals wurden hierbei Abblend- und Fernlicht in einem Reflektor vereinigt. Diese sogenannte Bilux-Lampe erzeugte nun zwei verschieden starke und unterschiedlich geneigte Strahlenbündel und gehörte ab den 1930er Jahren zur Serienausstattung aller Oberklasse-Pkw wie etwa bei den Mercedes SSK oder 500 K. Zwanzig Jahre später zählten Hauptscheinwerfer zu den wichtigsten Designkennzeichen. So vereinte Mercedes 1957 beim Roadster 300 SL erstmals Abblend-, Fern-, Stand- und Parklicht sowie Nebelscheinwerfer und Blinker in einer einzigen Baueinheit, wenig später verbreiteten sich rechteckförmige Scheinwerfer bei vielen Herstellern. Ebenfalls 1957 wurde das asymmetrische Abblendlicht eingeführt, zunächst beim Ford Taunus 17 M.
 
Jetzt ging es Schlag auf Schlag bei der Scheinwerferentwicklung. 1962 startete die Halogenlampe ihren Siegeszug, zunächst in Zusatzscheinwerfern der Firma Hella. Die Füllung mit Halogengas garantierte eine fast gleichmäßig hohe Strahlkraft während der gesamten Lebensdauer, da sich im Gegensatz zu konventionellen Glühlampen kein verdampftes Metall von der Glühwendel auf den Glaskolben niederschlug. Drei Jahre später gab es die ersten Hauptscheinwerfer mit zwei H1-Lampen für Abblend- und Fernlicht. Passend zur Premiere des Mercedes 350 SL der Roadsterserie R 107 debütierte 1971 die erste Zweifaden-Halogen-Glühlampe mit dem Namen H4. Bei ihr schirmte eine Kalotte die obere Wendel als Abblendlicht ab. Sicherheitsexperten sahen im H4-Licht einen entscheidenden Schritt, um die Zahl nächtlicher Unfall zu reduzieren. Zumal die deutsche Unfallstatistik damals einen Allzeit-Negativrekord tödlich verletzter Verkehrsteilnehmer aufwies. Tatsächlich sollte das H4-Licht in wenigen Jahren bis ins Kleinwagensegment Einzug halten.
 
Den nächsten Meilenstein präsentierten die Lichttechniker 1983: Der Projektionsscheinwerfer warf das Licht nach dem Prinzip eines Diaprojektors auf die Straße und erzielte damit trotz kleinerer Austrittsfläche eine deutlich höhere Lichtausbeute. Die Designer jubelten, endlich war es möglich, kompakte und äußerst flache Scheinwerfer mit starker Neigung der Streuscheibe zu ermöglichen. Bei Sportwagen endete so die Ära der markanten Klappscheinwerfer, die zuletzt in allen Klassen vom Ferrari F40 über Porsche 924 bis zum Mazda MX-5 für gute cW-Werte und freie Bahn sorgten. Das Computerzeitalter machte sich erstmals 1988 bemerkbar durch die Entwicklung von Freien-Flächen-Reflektoren – kurz FF-Reflektoren genannt. Dabei unterteilte der Computer die Reflektoroberfläche in tausende kleiner Spiegelelemente, die in jeweils optimaler Position für eine maximale Lichtausbeute angeordnet wurden. Zugleich kamen nun H7-Lampen zum Einsatz mit weiter reichendem Abblendlicht und gleichmäßiger ausgeleuchteter Fahrbahn.
 
Doppelt so lichtstark wie eine Halogen-Glühlampe war der nächste Evolutionsschritt, das 1991 im BMW 7er präsentierte Gaslicht namens Xenon. In den Quarzglaskörpern dienten das Leuchtgas Xenon und Metallsalze als Lichtquelle, während elektronische Vorschaltgeräte Lichtbögen erzeugten, mit denen die konventionelle Glühwendel ersetzt wurde. Spätestens jetzt war der seit 1990 gesetzlich vorgeschriebene Leuchtweitenregler unersetzlich. Dennoch klagten anfangs viele Autofahrer über die erhöhte Blendwirkung des ungewohnten Xenon-Lichts entgegenkommender Fahrzeuge. Vorläufig finaler Xenon-Schritt war 1999 die Einführung von Bi-Xenon-Licht in der Mercedes CL-Klasse für Abblend- und Fernlicht.
 
Das 21. Jahrhundert begann mit der Weiterentwicklung von Beleuchtungsideen, die bereits Jahrzehnte zuvor Einzug gehalten hatten. So gingen ab 2002 die ersten Autos mit aktivem Kurvenlicht in Serie, während etwa Hersteller wie Tucker beim Torpedo (1948) oder Citroen bei der legendären DS (1967) mechanisch mitlenkende Kurvenscheinwerfer anboten. Verschwunden war mittlerweile übrigens ein anderes Kennzeichen französischer Fahrzeuge: Gelbes Scheinwerferglas war nach vereinheitlichten europäischen Gesetzen nicht länger erlaubt. Dafür war nun das Zeitalter intelligenter Lichtsysteme angebrochen: Neben Kurven- und Abbiegelicht sorgen heute Landstraßen-, Autobahn- und erweitertes Nebellicht für bessere Orientierung, wobei sich die Autoscheinwerfer automatisch den Sichtverhältnissen anpassen. Während das Tagfahrlicht nur das Gesehen werden optimiert, vergrößern Nachtsicht-Assistenten mittels Infrarotkamera die Voraussicht bei Dunkelheit um ein Vielfaches.
 
„Nachts sind alle Katzen grau“, sagt ein Sprichwort. Für Autos gilt dies heute nicht mehr, denn das Lichtdesign gibt Rückleuchten und Hauptscheinwerfern vieler Fahrzeuge ein unverkennbares Aussehen. Möglich machen dies LED-Leuchten. Der Lexus LS 600 h startete 2007 mit LED-Abblendlicht, seit 2009 gibt es bei großen Baureihen von Audi und Cadillac sogar Voll-LED-Scheinwerfer. Bis die Nacht vollends zum Tag wird, könnte es zwar noch einige Jahre dauern. Dafür hat der Wettlauf um Innovationen ein so rasantes Tempo aufgenommen, dass der Gesetzgeber nicht mehr folgen kann. Heute sind die Entwickler schneller als die Zulassungsbehörden, wenn es um die Einführung neuer Lichttechniken für den Straßenverkehr geht.

Chronik

Ab 1890: Kerzenlampen und Petroleumleuchten aus dem Kutschenbau werden bei Automobilen eingesetzt
1895: Emile Levassor, Sieger der Langstreckenfahrt Paris-Bordeaux-Paris beklagt den Mangel an geeigneten Scheinwerfersystemen
1901: Polizeiverordnung für Preußen fordert die Verwendung von Beleuchtung bei Dunkelheit und schlechter Sicht
1905: Acetylen-Gaslampen kommen in den Handel
1908: Elektrische Scheinwerfer mit Batteriebetrieb werden populär
1913: Als erstes komplettes elektrisches Lichtsystem aus Scheinwerfer, Lichtmaschine und Lichtmaschinen-Regler wird das sogenannte „Bosch-Licht“ eingeführt
1915: Abblendlicht und Fernlicht durch zwei unterschiedlich geneigte Scheinwerfer
1921: Das Reichsverkehrsministerium führt ein Gesetz zur Dauerabblendung ein
1924: Bilux-Glühlampe mit einem Reflektor für Abblend- und Fernlicht
1957: Erste asymmetrische Scheinwerfer. Beim Mercedes 300 SL wird erstmals Abblend-, Fern-, Stand- und Parklicht sowie Blinker in einer Baueinheit eingeführt
1961: Rechteckförmige Scheinwerfer werden populär
1962: Halogen-Glühlampen in Zusatzscheinwerfern
1965: Bi-Focus-Reflektorsystem mit zwei H1-Glühlampen für Abblend- und Fernlicht
1971: Scheinwerfer mit H4-Zweifadenlampe und H4-Hauptscheinwerfern
1974: Erster elektronischer Leuchtweitenregler
1983: DE-Projektionsscheinwerfer
1986: Polyellipsoid-Scheinwerfer
1988: Freiflächen-Technik (FF) für Scheinwerfer-Reflektoren
1990: Leuchtweitenregler gesetzlich vorgeschrieben
1991: Xenon-Scheinwerfer gehen in Serie
1993: Scheinwerfer mit Kunststoffstreuscheiben in Serie
1995: Xenon-Scheinwerfer mit dynamischer Leuchtweitenregulierung
1999: Bi-Xenon-Technik
2002: Aktives Kurvenlicht
2003: Hella präsentiert den ersten LED-Hauptscheinwerfer
2004: LEDs als Tagfahrlicht bei Audi S6, Audi A8 W12 und Porsche 911 Turbo
2006: Intelligente Lichtsysteme gehen in Serie, LED-Abblendlicht
2009: Voll-LED-Hauptscheinwerfer in Serie
2012: Rolls-Royce bietet alle Modelle mit Voll-LED-Scheinwerfern an
Automodelle mit Beleuchtungsinnovationen:
1895: Mors (F) mit Lichtmaschine
1910: Peerless (USA) und Mercedes (D) mit elektrischen Batterie-Scheinwerfern
1914: Dodge (USA) mit Zwölf-Volt-Bordnetz
1930: Mercedes-Benz SSK mit serienmäßigen Bilux-Scheinwerfern
1942: Plymouth (USA) mit türaktivierter Innenraumbeleuchtung
1948: Tucker Torpedo (USA) mit Kurvenlicht
1949: Borgward Hansa (D) mit serienmäßigen Blinkleuchten vorn und hinten als Richtungsanzeiger
1955: Ford Taunus 15 M de Luxe (D) mit serienmäßiger Lichthupe
1956: Cadillac Eldorado (USA) mit Doppelscheinwerfern
1957: Ford Taunus 17 M (D) mit asymmetrischem Abblendlicht
1957: Mercedes-Benz 300 SL (D) mit allen Lampen in einem Bauteil
1962: Chevrolet Corvette Sting Ray (USA) mit drehbaren Klappscheinwerfern
1964: Citroen DS Pallas (F) mit Jod-Zusatzscheinwerfern
1965: Chevrolet (USA) mit Warnblinkanlage in Serie
1967: Citroen DS 21 Pallas und Prestige mit über Bowdenzüge mitlenkenden Jod-Zusatzscheinwerfern
1968: Opel GT (D) mit versenkbaren Klappscheinwerfern
1971: Mercedes-Benz 350 SL (D) mit H4-Zweifadenlampe
1991: Mercedes-Benz F 100 (D) mit FF-Reflektoren und H7-Licht  
1991: BMW 7er (D) mit Xenon-Licht
1999: Mercedes-Benz CL-Klasse mit Bi-Xenon-Technik
2000: Cadillac (USA) mit Nachtsichtsystem „Night-Vision“
2001: Mercedes-Benz CL (D) mit Bi-Xenon
2004: Audi S6 (D), Audi A8 W12 (D) und Porsche 911 Turbo (D) mit LED-Tagfahrlicht
2005: Cadillac DTS (USA) mit Voll-LED-Rückleuchte
2006: Lexus LS 600h (J, Serienstart 2007) und Audi R8 (D, Serienstart 2008) debütieren mit LED-Abblendlicht
2009: Cadillac Escalade (USA) und Audi A8 (D) in Serie mit Voll-LED-Scheinwerfern
2012: Rolls-Royce (GB) mit Voll-LED-Licht als Standard bei allen Modellen
2013: Volvo S60/XC60/V60 mit Fernlichtassistent und dynamischer Leuchtweitenregulierung
2013: Citroen DS3 Cabrio mit dreidimensionalen LED-Rückleuchten

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