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Jaguar
Es war in den späten 1980er Jahren als die erste Energiekrise vergessen schien und die Schönen und Reichen nach immer schnelleren Statussymbolen verlangten. Deutsche Turbo- und italienische V12-Triebwerke realisierten Tempo-Rekorde auf Strecke und Straße während die Preise für die Sportwagen scheinbar in die Stratosphäre entschwanden. Der Ferrari F40 und Porsche 959 durchbrachen auf dem Liebhabermarkt gerade die Preisschallmauer von einer Million Mark als sich Jaguar völlig unerwartet mit einem Supersportwagen zurückmeldete.
Auf der Birmingham Motorshow 1988 präsentierten die Briten eine Bestie, die sich als Urenkelin des 120 mph (193 km/h) schnellen XK120 von 1948 verstand. Die atemberaubend schöne Studie einer Super-Katze trug den Namen Jaguar XJ220 und signalisierte so eine Vmax von 220 mph (354 km/h). Entwickelt worden war der über fünf Meter lange Prototyp mit einem 6,2-Liter-V12-Kraftwerk und Allradantrieb, in Serie ging der Jaguar im Juni vor 20 Jahren allerdings „nur“ mit einem 3,5-Liter-Twin-Turbo-V6 und Hinterradantrieb. Der Magie des 404 kW/550 PS starken Übersportwagens tat dies keinen Abbruch, die Bestelleingänge für den XJ220 übertrafen schon bald die geplante Produktionsauflage von 350 Einheiten. Und dies obwohl das zeitweise schnellste Serienauto der Welt mit dem uralten Unternehmensgrundsatz brach, dass alle Jaguar relativ erschwinglich sein sollten. Davon konnte bei einem Verkaufspreis von einer Million Mark und einer geforderten Anzahlung von rund 140.000 Mark keine Rede mehr sein.
Spätestens seit dem legendären Le-Mans-Duell von vor über 80 Jahren zwischen den dunkelgrünen Boliden der „Bentley-Boys“ und den weiß lackierten Mercedes SS war es für die britische Automobilindustrie eine Sache der Ehre, den schnellsten Serien-Sportwagen der Welt auf die Straße zu schicken. 1948 schmückte sich der 120 mph (193 km/h) schnelle Jaguar XK120 mit diesem Titel, danach kämpften verschiedene angelsächsische Sportwagenschmieden um die Krone des King of Speed. Angeblich hatte Jaguar-Chefingenieur Jim Randle diese „Days of Glory“ im Sinn, als er im Jahr 1984 erste Gedanken zu einer neuen englischen Vmax-Ikone skizzierte.
Randle suchte nach einem Superauto, mit dem Jaguar und die dahinsiechende britische Automobilindustrie wieder Flagge zeigen konnten. Eine angriffslustige Raubkatze im Zeichen des Union Jack, die die italienischen V12 und die deutschen Turbos auf die Plätze verwies. Geld für die Entwicklung eines solchen Imageträger hatte Jaguar nicht, deshalb forschte Randle in der Freizeit, vorzugsweise samstags, zusammen mit seinen besten Ingenieuren am Projekt XK 220. Der sogenannte „Saturday Club“ hatte sich für den symbolträchtigen Namen entschieden, um die Marschrichtung vorzugeben. Als 220-mph-Racer (354 km/h) sollte das Spitzenmodell von Jaguar alle Porsche, Ferrari und Lamborghini verblasen.
Zunächst einmal ließ Jim Randles Team einen ersten Prototypen des schließlich XJ220 genannten Sportlers Gestalt annehmen: Die Designer Cliff Rudell und Keith Helfer zeichneten alternative Entwürfe, von denen 1987 die eindrucksvolle 5,14 Meter messende Flunder von Keith Helfer realisiert wurde. Eine Sponsorensuche bei über 40 Zulieferern der britischen Automobilindustrie begeisterte schließlich drei namhafte Förderer: FF Developments (1966 hatte das Unternehmen den Jensen FF als ersten Serien-Pkw mit Allradantrieb und ABS kreiert) kümmerte sich um die 4×4-Technik, Park Sheet und Alcan waren zuständig für Fahrwerk und Aluminium-Karosserie auf Gitterrohrrahmen. Im Juni 1988 gewann Jaguar die 24 Stunden von Le Mans, ein Triumph, der das Projekt XJ 220 vorantrieb und für die Zusammenarbeit mit dem Kooperationspartner TWR (Tom Walkinshaw Racing) wichtig war. Als Jaguar-Chef John Egan im Oktober das „Go“ für die Präsentation des XJ220-Prototypen auf der Birmingham Motorshow gab, wirkte dies für Jaguar wie ein Befreiungsschlag aus einem dunklen Jahrzehnt.
1980 war der Jaguar-Absatz auf magere 15.000 Einheiten gesunken. Ein Tief, aus dem sich die Nobelmarke aber unter dem strengen Regime von John Egan mit besserer Produktqualität und neuen Modellen befreite. Als rund zehn Jahre später der amerikanische Ford-Konzern die englische Traditionsmarke übernahm, konnte Jaguar den bisherigen Allzeit-Bestwert von rund 43.000 Einheiten und einen neuen Superstar – den XJ220 – feiern. Tatsächlich hatte John Egan schon Anfang 1989 die Entwicklung der Serienversion des XJ220 forciert, dies aber mit einem neuen, doppelt aufgeladenen Sechszylinder von TWR anstelle des betagten V12 aus dem Prototypen und mit klassischem Hinterradantrieb.
Erprobt wurde die Antriebstechnik in einem unauffälligen Ford Transit, den Jaguar eigens für diesen Zweck gekauft und umgebaut hatte. Optisch verrieten den Transit allein die ZR-Bereifung and XJ220-Aluräder – und die Fahrleistungen: Als schnellstes Nutzfahrzeug der Welt sprintete der Kastenwagen in unter fünf Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Im Dezember 1990 kam der Tag, auf den alle Supersportwagenfans gewartet hatten: John Egan kündigte den XJ220 mit einer Auflage von 350 Einheiten für das Folgejahr an. Der Preis von einer Million Mark konnte die zahlungskräftigen Kunden ebenso wenig abschrecken wie die geforderte Anzahlung von umgerechnet rund 140.000 Mark. Immerhin erzielte der Ferrari F40 als Gebrauchtwagen zur gleichen Zeit bereits Notierungen in fast dreifacher Höhe. Innerhalb weniger Tage trafen bei Jaguar über 1.200 Bestellungen ein.
Ihren Höhepunkt erreichte die XJ220-Fieberkurve bei den Fans nachdem Lady Diana, Princess of Wales, die neue Fertigungsanlage von Jaguar Sports eröffnet hatte, die Vorserienautos eine Vmax von 213 mph (343 km/h) versprachen und 1992 die ersten Serienfahrzeuge an Promis wie Popstar Elton John und den Sultan von Brunei ausgeliefert wurden. Dann geschah das Unfassbare: Ganz plötzlich gab es keinen Platz mehr in der Sportwagenwelt für die wildeste aller Raubkatzen.
In der Wirtschaft war eine Spekulationsblase geplatzt, die Preise für automobile Luxusspielzeuge stürzten in den Keller und viele Käufer konnten ihren XJ220 nicht mehr abnehmen. Die damals schnellsten Seriensportwagen der Welt standen sich nun nicht mehr in elitären Sammlergaragen die Gummis platt, sondern in den exklusiven Showrooms ausgewählter Jaguar-Händler. Ein Schicksal, an dem auch eine kurze Karriere in Le Mans nichts mehr änderte. Sieger des Langstreckenklassikers [foto id=“425889″ size=“small“ position=“left“]wurde 1993 ein XJ220 C in der GT-Klasse mit den Fahrern David Brabham/John Nielsen/David Coulthard. Allerdings wurde der Wagen wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Tankvorschriften nachträglich disqualifiziert. Im August debütierte der XJ220 S, eine straßentaugliche Rennsportversion, die mit Karbon-Karosserieteilen der Le-Mans-Fahrzeuge aufgebaut wurde und bis zu 500 kW/680 PS leistete – genug für Tempo 370. Eine Vmax-Fähigkeit, für die vorläufig niemand mehr bezahlen konnte. Lediglich fünf Einheiten des XJ220 S wurden produziert. Nach nur 275 Einheiten folgte 1994 auch das Aus für den konventionellen XJ220. Fast zwanzig Jahre dauerte es, dann wurde der schnellste Serien-Jaguar aller Zeiten als Kultobjekt wiederentdeckt. Ein Schicksal, das sich die englische Katze mit ihrer einstigen Jagdbeute deutscher Provenienz teilt.
Chronik: |
1984: Jaguar Chefkonstrukteur Jim Randle entwickelt die Idee eines neuen Aushängeschildes der britischen Automobilindustrie, eines Supersportwagens von Jaguar. Zusammen mit einem Team aus Ingenieuren und Enthusiasten startet Randle die Entwicklung des vorläufig XK220 genannten Sportwagens in seiner Freizeit, vorzugsweise an Samstagen. Das Team erhält den Namen „Saturday Club“ 1985: Cliff Rudell und Keith Helfer zeichnen Formen für das Projekts XK220 1987: Im Frühjahr entscheidet sich Jim Randle für den Designentwurf von Keith Helfer, der im Prototypen realisiert wird. Der endgültige Name XJ220 wird festgelegt. Sponsorensuche bei über 40 Zulieferern der britischen Automobilindustrie für den Imageträger. Drei Unternehmen beteiligen sich schließlich FF Developments (Allradantrieb), Park Sheet und Alcan (Fahrwerk und Karosserie) 1988: Im Juni gewinnt Jaguar die 24 Stunden von Le Mans, ein Triumph, der das Projekt XJ 220 vorantreibt. Auf der Birmingham Motorshow debütiert die Studie des Jaguar XJ220 mit Allradantrieb und V12-Motor 1989: 399 KW/542 PS-V6-Motor und andere Antriebsaggregate für die Serienversion des XJ220 werden in einem Ford Transit erprobt, den Jaguar eigens für diesen Zweck gekauft hat. Optisch verrieten den Transit allein die ZR-Bereifung and XJ220-Aluräder. Der Transporter soll in unter fünf Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 gesprintet sein. Im Dezember erfolgt die offizielle Freigabe für die Entwicklung der Serienversion des XJ220 mit dem Kooperationspartner TWR (Tom Walkinshaw Racing) bei JaguarSport. Das Design der Serienversion entwirft ebenfalls Keith Helfet 1990: Prototyp 001 der deutlich kompakteren Serienversion des XJ220 wird im Sommer vorgestellt. Im September folgt Prototyp 002, der bei Testfahrten im englischen Bruntingthorpe eine Vmax von 186 mph (299 km/h) erreicht. Jaguar-Chef John Egan kommuniziert am 14. Dezember den Serienstart für das Folgejahr. Dabei plant er eine Auflage von 350 Einheiten, für die innerhalb weniger Tage über 1.200 Bestellungen eintreffen 1991: Am 1. Oktober wird die Fertigungsanlage für den XJ220 im englischen Bloxham/Oxfordshire offiziell eröffnet und zwar durch Lady Diana, Princess of Wales. Bei Hochgeschwindigkeitstests in Fort Stockton/Texas erzielt Andy Wallace mit dem Vorserienfahrzeug 004 die Vmax von 213 mph (343 km/h). Bei späteren Testfahrten im süditalienischen Nardo werden 218 mph (349 km/h) erreicht 1992: Im Juni wird das erste Kundenfahrzeug ausgeliefert. Zu den ersten prominenten Kunden zählen Popstar Elton John und der für seine Autosammlung bekannte Sultan von Brunei. Letzterer lässt allerdings seinen XJ220 bei Pininfarina neu einkleiden 1993: Drei Jaguar starten beim Langstreckenklassiker in Le Mans. Siegerfahrzeug wird ein XJ220 C in der GT-Klasse mit den Fahrern David Brabham/John Nielsen/David Coulthard. Wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Tankvorschriften wird der Wagen nachträglich disqualifiziert, der Pokal aber nicht zurückgefordert. Ein zweiter XJ220 C unter den Piloten Win Percy/Armin Hahne scheidet wegen defekter Zylinderkopfdichtung aus. Im August debütiert der XJ220 S, eine straßentaugliche Rennsportversion, die mit Karbon-Karosserieteilen der Le-Mans-Fahrzeuge aufgebaut wird und bis zu 500 kW/680 PS leistet. Insgesamt fünf Einheiten des XJ220S werden produziert 1994: Nach nur 275 Einheiten (manche Quellen sprechen von 283 Einheiten) wird die Produktion eingestellt. Später rollen aus den Produktionsanlagen Aston Martin DB7 und DB7 Vantage 1995: In Le Mans starten zwei private Jaguar XJ220 C, scheiden allerdings mit Defekten aus 1998: Letzte Lagerfahrzeuge werden von Jaguar-Händlern verkauft |
Wichtige technische Daten: |
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XJ220 Prototyp (1988), 6,2 Liter-V-12-Zylinder-Benziner mit 427 kW/580 PS Leistung bei 7.000/min, 550 Nm Drehmoment bei 5.100/min, Vmax 330 km/h, 0-100 km/h in 4,0 Sekunden, 1.550 Kilogramm Leergewicht, 5,14 Meter Länge, 1,98 Meter Breite, 1,15 Meter Höhe, 2,85 Meter Radstand. XJ220 Serienversion (1992-1994), 3,5 Liter-V-Sechszylinder-Benziner mit zwei Garrett-Turboladern mit Ladeluftkühlung und 399 kW/542 PS bis 404 kW/550 PS Leistung bei 6.500/min, 642 Nm Drehmoment bei 5.000/min, Vmax 349 km/h, 0-100 km/h in unter 4,0 Sekunden, 1.350 Kilogramm Leergewicht, 4,86 Meter Länge, 1,98 Meter Breite, 1,15 Meter Höhe, 2,64 Meter Radstand, Preis 413.000 englische Pfund bzw. 1 Million Mark. |
geschrieben von auto.de/sp-x veröffentlicht am 04.07.2012 aktualisiert am 04.07.2012
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