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Der TÜV und die Tuningszene unterhalten ein ähnlich ambivalentes Verhältnis wie Kirche und Heidenkinder. Weil die Prüforganisation bei den Umbauwilligen den Ruf als Spaßbremse weg hat, will sich der TÜV Rheinland als Partner und nicht als Gegner der Szene etablieren. Zum vierten Mal luden die Prüfer deshalb zum „Tuning Day“ auf ihr Kölner Gelände ein.
Der Blick in den Motorraum des Opel Corsa, Baujahr 1997, zwingt die Sonnenbrille auf die Augen. Im Licht der sommerlichen Nachmittagssonne gleißt mehr Chrom rund um den quer eingebauten Vierzylinder, als ein Großserien-Autohersteller an einem Produktionstag verbaut. Doch noch auffälliger als der blinkende Antrieb sind Leitungen und anderen Elemente im Motorraum, die mit Straußenleder eingefasst sind. Dennis Kluse aus dem Kreis Wesel, der sein ungewöhnliches Auto auf den Hof der Prüfstelle des TÜV Rheinland in Köln gesteuert hat und einem fachkundigen und staunenden Publikum präsentiert, arbeitet und schraubt an seinem Kleinwagen seit mehr als zehn Jahren. Der Corsa ist ein Relikt aus der Lehrzeit zum Koch, als das überschaubare Budget des Azubis den Rahmen der automobilen Leidenschaft dirigierte. Ein Projekt fürs Leben, denn fertig wird das [foto id=“426479″ size=“small“ position=“right“]Schmuckstück nie.
Mit rund 750 getunten Autos aus dem gesamten Bundesgebiet war der räumliche Rahmen des TÜVs in Köln schon am späten Nachmittag ausgeschöpft. Die Prüforganisation hatte zur großen Party eingeladen. „Zum vierten Mal“, wie TÜV-Sprecher Wolfgang Partz betonte. „Wir verstehen uns als Partner der Szene und eben nicht als Spaßbremse.“ Schließlich ist beim Tunen nicht alles erlaubt, was gefällt, sondern nur das, was Brief und Siegel der Prüfer erhält. Inzwischen geht auch die Szene gelassen mit dem TÜV um. Die Organisation bietet allen Interessenten, vor Beginn des Tunings zu beraten. „Wenn von Anfang an klar ist, was geht und was nicht, kann der Tuning-Fan entspannt sein Projekt angehen und spart damit Ärger und vor allem Kosten“, so Partz.
Kostenbewusstsein ist bei vielen Fans der Szene wirklich nicht die primäre Eigenschaft. In mancher Kompaktlimousine stecken Beträge, für die Sportwagenhersteller wie Porsche Brief und Schlüssel für einen Neuwagen herausrücken. Doch das Schielen nach dem Preis-/Leistungsverhältnis ist nicht die Motivation beim Tunen. Die Individuelle Lösung steht im Focus. Ein Auto unter 40 Millionen Fahrzeugen in Deutschland zu bewegen, das es kein zweites Mal gibt, das ist die wahre Herausforderung.Der Tuning Day in Köln verdeutlichte, [foto id=“426480″ size=“small“ position=“left“]dass der Szene mit Klischees nicht beizukommen ist. Klar, tiefer geht immer. Aber beileibe nicht jeder Fan schrappt unbedingt mit einem tief gelegten Opel oder Ford über den Asphalt. Die eine Fraktion steht auf Neufahrzeugen, die mit ausdrucksstarken Rädern oder anderen Karosserie-Accessoires auf sich aufmerksam machen.
Andere tragen den Pelz lieber nach innen. Sie bevorzugen unspektakuläre Karossen mit spektakulären Innenausstattungen. Da sind der Phantasie der Farbwahl, den Wattzahlen für die Musikanlagen und den Grenzen des guten Geschmacks keinerlei Grenzen gesetzt. Viele Tuning-Fans haben sich mit Haut und Haaren einer Marke verschrieben oder aber auch einer Fahrzeugklasse. Erstaunlich breit gestreuter Beliebtheit erfreuen sich Coupés aller Jahrgänge der japanischen Hersteller Toyota und Nissan.Was die Szene übergreifend eint, ist Musik in einer Lautstärke, die das Trommelfell bis an die Schmerzgrenze durchgerbt. Dazu Currywurst mit Fritten rot-weiß, und mehr bunte Bilder auf entblößten Körperteilen, als in einem Telefonbuch-dicken japanischen Manga-Comic zu finden sind. Wichtig ist auch der gegenseitige Austausch, das Sehen und Gesehen werden. Zumindest für einen Tag hat TÜV und die Tuning-Gemeinde zusammengefunden.
geschrieben von auto.de/(tl/mid) veröffentlicht am 09.07.2012 aktualisiert am 09.07.2012
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