Versenkt: Das Verschwinden der Schlafaugen

Es ist fast wie im richtigen Leben: Irgendwann ist es vorbei – und man hat es nicht einmal gemerkt. Und erst dann, spät (manchmal leider zu spät), merkt man, was einem fehlt. Doch dann ist schon alles gelaufen. Das gilt, wie wir alle wissen, besonders für Beziehungen, aber auch für Autos. Daher kommt ja die Faszination für Old- und Youngtimer, dieses Erinnern, dieses „weißt Du noch“, dieses „den hatte ich doch auch mal“. Einige von uns, von uns Lebensälteren, hatten auch schon mal einen Wagen mit Klappscheinwerfern, im Volksmund auch gerne „Schlafaugen“ genannt. Manche haben immer noch einen. Sie sollten gut darauf aufpassen, denn: Die Schlafaugen-Autos sind mittlerweile weg – fort – verschwunden. Und das schon länger als man so glaubt und wahrhaben will.

Dabei erinnern[foto id=“487646″ size=“small“ position=“right“] wir uns doch noch so gut an die Klappscheinwerfer. An Scheinwerfer, die verdeckt, versenkt, versteckt und nicht sichtbar sind, wenn sie ausgeschaltet sind. Was ja meist der Fall ist. Und die, wenn sie eingeschaltet und ausgefahren sind, dem Fahrzeug zu einem markanten, höchst eigenständigen Aussehen verhelfen. Ein ausgesprochen prominenter Vertreter dieser Gattung ist der Roadster von Mazda, der MX-5, der in hohen Stückzahlen verkauft wurde.

Der MX-5 wird seit 1989 – mittlerweile in der dritten Generation – vom japanischen Automobilhersteller Mazda gebaut. Das intern NA genannte erste Modell des Mazda MX-5-Modell, gebaut von 1989 bis 1998, verfügt nicht nur über ein Faltdach aus Stoff, sondern auch über schnucklige Klappscheinwerfer. Die hat sich Mazda beim Vorbild Lotus Elan gleich mal mit abgeguckt. Dem sportlichen Briten ist der MX-5, um es vorsichtig zu sagen, höchst stilecht nachempfunden. Der bis zwei Jahre vor der Jahrtausendwende gebaute Japaner ist eines der letzten Automobil-Modelle, bei dem noch Klappscheinwerfer verbaut werden. Die Chevrolet Corvette C5 , der De Tomaso Guara und der Esprit von Lotus (2003) waren dann die (zumindest vorerst) letzten produzierten Fahrzeuge mit Klappscheinwerfern.

[foto id=“487647″ size=“small“ position=“left“]Der Beginn der Schlafaugen-Geschichte liegt zu dem Zeitpunkt bereits rund sieben Jahrzehnte zurück. Der erste Pkw mit Schlafaugen dürfte der von Gordon Buehrig entworfene Cord 810/812 gewesen sein, der Mitte der 1930-er Jahre in Amerika bei Auburn gebaut wurde. Der Fronttriebler war mit Hauptscheinwerfern ausgestattet, die zunächst bei Flugzeugen für den Landeanflug ausgeklappt wurden. In den USA wurden Klappscheinwerfer schick – bei Limousinen. In Europa gerieten sie zum stilistischen Merkmal von Sportwagen, etwa bei Modellen von Ferrari, Lamborghini, Maserati oder Porsche. Ihre Verwendung sorgte dafür, dass die Frontpartien flach, tief gezogen und aerodynamisch günstig gestaltet werden konnten. Zumindest solange die Scheinwerfer nicht gebraucht wurden. Denn bei eingeschalteten Scheinwerfern verschlechterte sich die Windschlüpfigkeit entsprechend. Ausgefahren werden die Scheinwerfer meist elektrisch, seltener per Hand.

Im Prinzip gibt es drei verschiedene technische Varianten der Klappscheinwerfer. Da wäre zunächst die Version mit einer Drehung um die Querachse, wie sie etwa beim VW Porsche 914 anzutreffen ist. Der Scheinwerfer fährt beim Einschalten mit einer Drehung aus der Karosserie heraus. Bei einigen Modellen, wie etwa dem Lamborghini Miura oder dem Porsche 928,[foto id=“487648″ size=“small“ position=“right“] liegen die Scheinwerfer „offen“ – sie sind also auch ausgeschaltet sichtbar und zeigen mit der Streufläche nach oben.

Bei Variante zwei werden die Scheinwerfer um die Längsache ein- und ausgefahren. Etwa beim nur fünf Jahre lang ab 1968 gebauten Opel GT (der unter dem Slogan „Nur Fliegen ist schöner“ vermarktet wurde), bei dem der Vorgang nicht elektrisch, sondern per Hand erfolgt. Bei den rund 103 000 gebauten Exemplaren halfen keine Elektromotoren, wenn es hell werden sollte. Der Fahrer musste an einem oftmals etwas schwergängigen Hebel ziehen, um die Leuchten in die richtige Position zu bringen.

Variante drei sind verdeckt eingebaute Scheinwerfer, bei denen Elektromotoren die Abdeckung von den Scheinwerfern verschwinden lassen. Etwa unter die Karosserie, wie beim Lincoln Town Car.

[foto id=“487649″ size=“small“ position=“left“]Nicht nur reinrassige Sportwagen wie Ferrari, Lamborghini oder Maserati kamen in den Genuss von Klappscheinwerfern. Auch ganz volkstümliche wie etwa den Mazda 323 zierten die ausgefallenen Beleuchtungs-Lösungen. Und natürlich auch etliche preiswertere Sportler wie Fiat X 1/9, Opel GT, Toyota Celica und MR 2 oder VW Porsche rollten mit versenkten Scheinwerfern durch die Lande.

Anders als viele Automobilisten meinen, sind (ausnahmsweise einmal) nicht neue, zusätzliche Vorschriften, technische oder gesetzliche Regelungen für das Aussterben der Klappscheinwerfer verantwortlich. So sagt Frank Volk, beim TÜV Süd in München für die Unternehmenskommunikation zuständig: „Es gibt auf der Verordnungsebene definitiv keinen Hinderungsgrund für den Einsatz von Klappscheinwerfern“. Er sieht für das Verschwinden der Klappscheinwerfer „wohl ausschließlich Design- und technische Gründe hinsichtlich des technischen Aufwands, der hinter Klappscheinwerfern steht.“ Der Fußgängerschutz habe „zwar mal eine gewisse Rolle gespielt, laut unserem Sachverständigen sind die Vorschriften[foto id=“487650″ size=“small“ position=“right“] so wachsweich, dass Klappscheinwerfer – wenngleich bei noch mal erhöhtem Konstruktionsaufwand – weiter eingesetzt werden könnten.“

Eine ähnliche Auskunft gibt es auch von seinem Kollegen Wolfgang Partz, Pressesprecher Mobilität und Verkehr beim TÜV Rheinland in Köln. „Uns ist kein technischer oder rechtlicher Grund bekannt, warum Klappscheinwerfer nicht mehr zum Einsatz kommen dürften.“

[foto id=“487651″ size=“small“ position=“left“]Vielleicht sind sie ganz einfach aus der Mode gekommen. Schließlich erlauben neue Bauweisen und Beleuchtungstechniken kleinere Scheinwerfer, die sich designtechnisch besser integrieren lassen als die früheren großen Leuchten-„Töpfe“. Möglicherweise sind auch die relativ hohen Produktionskosten mit dafür verantwortlich, dass uns Automobilisten heute keine „Schlafaugen“-Automobile mehr angeboten werden.

Auch Hans-Georg Marmit von der KÜS-Bundesgeschäftsstelle im saarländischen Losheim am See stützt die Auffassung seiner Kollegen. Auch er sieht keinen zulassungstechnischen oder rechtlichen Grund, „höchstens auf Umwegen. Damit meine ich die vorgeschriebenen Bauordnungen für den passiven Fußgängerschutz am Fahrzeug. Da haben die doch eckigen und scharfen Kanten mancher Klappscheinwerfer nicht mehr hineingepasst.[foto id=“487652″ size=“small“ position=“right“] Dazu kommt, dass die Hersteller von der komplizierten, teuren und anfälligen Technik dieser Beleuchtungen Abstand genommen haben.“ Und er erwähnt einen weiteren Punkt: die Rolle des Luftwiderstandsbeiwerts und des Treibstoffverbrauchs. „Heute wird mit jedem Liter Treibstoff gegeizt, damit man in der Produktbeschreibung einen möglichst geringen Durchschnittsverbrauch angeben kann.“ Auch „die Einführung von Tagfahrlicht und Xenonbeleuchtung, die eine automatische Leuchtweitenregulierung voraussetzt, dürfte schwer zu vereinbaren sein mit aufklappbaren Scheinwerfern.“ Und er ergänzt: „So sehr ich das auch bedauere. Das hatte schon was.“ Wie wahr, wie wahr.

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