"American Muscle" nennt der US-Hersteller Victory sein mit Abstand sportlichstes Modell, die Octane. Und die sieht in der Tat äußerst durchtrainiert aus. Doch hält sie auch, was der Body verspricht, oder geht ihr unterwegs die Puste aus? Das offenbart der Fahrbericht.
Die Octane kommt ganz anders daher, als man es von Victory-Modellen gewohnt ist. Statt geschwungener Formen zeigt die Maschine klare Kante - ein Cruiser, modern interpretiert. Klassische Elemente wie Chrom oder Speichenräder fehlen völlig. Matt-grau und schwarz dominieren. Dazu gibt's Gussräder mit zehn Speichen - natürlich in schwarz. Locker-lässig ist der Solositz. Wer Lust auf eine Motorradtour hat, soll gefälligst selber fahren. Die niedrige Sitzhöhe von 66 Zentimetern in Verbindung mit weit vorne angebrachten Fußrasten und einem Lenker, der sich dem Fahrer entgegenreckt, bieten eine angenehm aufrechte Sitzposition, was die flache Silhouette der Octane zunächst nicht vermuten lässt. Optisch jedenfalls muss sich das Bike hinter anderen amerikanischen Motorrädern nicht verstecken, im Gegenteil: Harley-Fahrer, BMW-Schrauber und Naked-Bike-Fans sind sich einig - das Teil sieht richtig gut aus.
Anders als beim Schwestermodell aus dem Hause Polaris, der Indian Scout, mit der sich die Victory den vorderen Rahmen und die Motorenbasis teilt, wirkt der wassergekühlte V2 in der Octane nicht wie ein Fremdkörper. Alles ist aus einem Guss. Und dank der Farbgebung könnte man meinen, dass man ein schweres Eisenteil vor sich hat. Dabei ist die Octane mit 243 Kilo kein Schwergewicht. Und dank der Leistung von 77 kW/104 PS und 99 Nm Drehmoment überaus agil. Dazu kommt ein niedriger Schwerpunkt, der das Gefühl vermittelt, dass der Kontakt zur Straße immer bestens ist. Und der es ermöglicht, die Maschine trotz der vorgestreckten Beine ganz problemlos in Kurven zu drücken. Das straffe Fahrwerk steckt Querrillen gut weg. Man spürt sie zwar, wird aber auch bei höherem Tempo nicht ausgehebelt. Überhaupt scheint die Victory Octane nichts aus der Bahn zu werfen - außer vielleicht starker Seitenwind, auf den sie empfindlich reagiert.
Bei der Testfahrt ist die Octane mit 6,7 Liter Benzin auf 100 Kilometer ausgekommen - trotz längerer Autobahnfahrt mit Tempo 150. Kein Spitzenwert, aber noch ok. Allerdings begrenzt das die Reichweite auf etwa 180 Kilometer. Aber ganz ehrlich: Als Langstrecken-Motorrad würde die Octane wohl kaum jemand nutzen. Dann macht es auch nichts, dass es ab 150 Sachen recht windig um den Helm wird. Das Mini-Windschild ist eher als Design-Element - und als solches gelungen - denn als Windschutz zu verstehen. Das passt zum schnörkellosen Auftritt der Octane: Sie sieht cool aus, überrascht mit schönen Detail-Lösungen wie einer blauen Beleuchtung der Instrumente und lässt sich richtig gut fahren. Gemütlich Cruisen oder mit Zug am Gasgriff sportlich um die Ecken - beides ist mühelos machbar. Das gibt es nicht oft in der beliebten Klasse der 1200er Cruiser. Und das zum Preis von 12.950 Euro.