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Ausnahmezustand – am 25. November 1973 eroberten einen Tag lang Wanderstöcke und Fahrräder die deutschen Autobahnen. Ein Auto war weit und breit nicht zu sehen. Denn angesichts der Zuspitzung der internationalen Ölkrise hatte die Regierung die Einführung sogenannte „autofreier Sonntage“ gefordert. Schließlich drohten die Ölstaaten, den Fluss des kostbaren Öls auch nach Deutschland einzudämmen. Während sich damals die Bürger der ungewöhnlichen Maßnahme der deutschen Regierung unter Willy Brandt unterordneten, formiert sich heute Widerstand gegen die Regulierungen der Politik im automobilen Bereich. Als Signal gegen das Desaster um den vermeintlichen Bio-Kraftstoff E10 riefen Verbraucher deswegen die Aktion „Tankfreier Samstag“ oder „Tankfreier Tag“ ins Leben.
In der Ölkrise sollten die Deutschen nach Wunsch der Regierung Brandt Benzin sparen, wo es nur möglich war. Mit dem Energiesicherungsgesetz wurde insgesamt viermal ein „autofreier Sonntag“ mit einem Fahrverbot ausgerufen. Demonstrativ spazierte der damalige Bundeskanzler Willy Brandt als gutes Beispiel mit dem Wanderstock voran. Tausende Familien taten es ihm nach und erkundeten mit Rollschuhen und Picknickkorb ein Terrain, das sonst den Autos vorbehalten war. Ihr Auto benutzen durften allein Ärzte, Taxis und Lieferanten frischer Ware.
[foto id=“349247″ size=“small“ position=“left“]Neben der Erfahrung eines neuen Sonntagausflugsziels im kalten Winter 1973 wurde den politischen Akteuren wie Verbrauchern jedoch durch die gesetzlich angeordnete Sparmaßnahme schlagartig auch ihre Abhängigkeit von den Ölhähnen der Staaten mit diesem Rohstoffvorkommen bewusst. Hatten bis dahin westliche Staaten die Ölindustrie dominiert, wehrten sich die in der OPEC organisierten Länder nun gegen diesen Eingriff. Der sogenannte „Ölschock“ hatte auch in Deutschland weite Folgen: Aus Angst vor dem Versiegen des Ölflusses wurden Hamster-Tankaktionen der Verbraucher gestartet, um Benzin zu horten und abschließbare Tankdeckel aus Angst vor Kraftstoffdiebstahl eingeführt. Erstmals wurde die Begrenztheit natürlicher Rohstoffe auch der Nachkriegsgeneration deutlich und die Forschungen zu regenerativen Energien angeregt.
Doch obwohl Millionen Deutscher ihr Auto an diesen vier Sonntagen in der Garage stehen ließen, ist die Wirkung der Aktion eher moralisch als wirklich kraftstoffsparend zu beurteilen. Das zeigte auch die steigende Zahl von Ausnahmegenehmigungen des Fahrverbots, die soweit führten, dass es am vierten autofreien Sonntag sogar zum Stau kam.
Seit Ende der achtziger Jahre gibt es in Deutschland immer wieder regionale autofreie Sonntage, wie beispielsweise „Tal Total – das autofreie Rheintal“. Seit September 2000 werden diese regionalen autofreien Sonntage auch unter EU-Beteiligung in einen „World Car Free Day“ integriert. In Italien werden seit 2000 sogar nationale autofreie Tage veranstaltet.
[foto id=“349248″ size=“small“ position=“right“]Aus heutiger Sicht erscheint das Bild eines auf der Autobahn wandernden Willy Brandts durchaus nostalgisch-erheiternd. So sind im 21. Jahrhundert zwar viele Stichworte wie Klimawandel oder Wasserproblematik, die auf die Begrenztheit natürlicher Ressourcen und damit deren Bedeutung für Kriege verweisen, hinlänglich bekannt. Doch die Erfahrungen der sechziger und siebziger Jahre haben nicht nur ein neues Bewusstsein mit Rohstoffen wie Öl geschaffen, sondern auch die zunehmende Entfremdung der Bürger der von ihnen gewählten Volksvertreter. Zunehmend äußerst sich Unzufriedenheit mit deren Entscheidungen. Das betrifft besonders den Bereich der Mobilität: Als Folge ständig neuer Gesetzen und Regeln reiht sich neben Licht-Testbestätigung auch die Umweltplakette auf der Autoscheibe ein, muss Scheinwerferlicht an Hersteller und Modell angepasst sein, müssen in immer mehr EU-Ländern Vignetten erworben oder teure Mautgebühren bezahlt werden. Als bisheriger Höhepunkt der Regluierungen kann die Einführung des E10-Kraftstoffs an den deutschen Tanksäulen bezeichnet werden. Nicht nur teurer, sondern für den Motor einiger Fahrzeuge auch noch äußerst schädlich, sollte der Verbraucher statt argumentativ überzeugt, einfach an der Tanksäule mehr oder weniger überrascht werden.
Doch die schwarz-gelbe Regierung und vor allem Umweltminister Norbert Röttgen hatten bei der heimlichen Einführung nicht an die Macht der Verbraucher gedacht. Als unpolitisch beschrien, protestierten diese nun, indem sie den neuen Kraftstoff einfach nicht tankten. Doch in Berlin ließ man sich davon nicht beirren und hält grundsätzlich am E10- Sprit fest. Damit aber ist der Widerstand der autofahrenden Deutschen keineswegs eingedämmt. Mehr als 95 Prozent von ihnen wollen laut einer auto.de-Umfrage kein Benzin tanken. Sie wollen sich nicht gefallen lassen, dass sich die politischen Entscheider einfach über ihre Forderungen hinweg setzen. So formierte sich im Internet die Protestaktion „Tankfreier Tag“ oder „Tankfreier Samstag“. Der erste dieser tankfreien Samstage soll am 19. März stattfinden. Genauso wie 1973 unter Brandt nicht gefahren wurde, soll an diesem Tag eben nicht getankt werden. Doch diesmal entscheidet das nicht die Regierung, sondern die Bürger selbst – als Appell, auf ihre Forderungen einzugehen.
geschrieben von Kira Fröhlich veröffentlicht am 14.03.2011 aktualisiert am 14.03.2011
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