Vom Rentner-Drahtesel zum Pendler-Mobil

Deutschland diskutiert über das Elektroauto – und fährt Elektrofahrrad. An die 600 000 Einheiten sind es inzwischen, die sich den Tritt in die Pedale von einem Elektromotor unterstützen lassen. Zuerst waren es die Älteren, denen das klassische Fahrradfahren zu anstrengend wurde. Aber auch ältere Neueinsteiger ließen sich in den vergangenen drei Jahren mehr und mehr von der Zusatzkraft eines Elektromotors verführen.

Bald entdeckten auch junge Familien, dass sich ein Kinderanhänger am Fahrrad leichter ziehen lässt, wenn nicht nur die Kraft der Beine zur Verfügung steht. Und neuerdings sind es die Berufspendler, die schon immer damit liebäugelten, per Fahrrad zur Arbeit zu fahren, sich aber nicht trauten, weil ein verschwitzter Anzugträger im Büro keine gute Figur abgibt. Sie kommen jetzt ganz ohne Schweiß an ihren Computer.

Die Fahrzeugklasse, die diese Art von Mobilität ermöglicht, hört auf den Namen Pedelec und ist eine Wortschöpfung aus „pedal“, „elektric“ und „cycle“. Zu deutsch: Man fährt Fahrrad, tritt in die Pedale und wird von einem Elektromotor unterstützt.

Und das ist ernst gemeint, das Fahrrad fahren. Denn ohne eigenes Tun, also ohne in die Pedalen zu treten, tut auch der Elektromotor nichts. Das ist der große Unterschied zu einem Elektroroller oder wie immer man ein elektrisch betriebenes Zweirad nennen will. Das klassische Pedelec (Kategorien 1 und 2), das sind 95 Prozent der auf deutschen Straßen anzutreffenden, kommt daher ohne Gasgriff aus, verfügt über alle Merkmale eines Fahrrades, natürlich auch in seinen Gattungen wie Mountainbike, Stadtrad oder [foto id=“411383″ size=“small“ position=“left“]gar Rennrad. Aber es schleppt ständig einen Rucksack mit sich herum, den Motor samt Batterie. Beide machen das Fahrrad um rund fünf bis acht Kilogramm schwerer als ein vergleichbares Fahrrad.

In der Oberklasse (Kategorie 4), die sich schon deutlich vom Fahrrad entfernt hat und deshalb unter dem Begriff E-Bike geführt wird, gibt es auch einen Gasgriff. Dazwischen liegt die Kategorie 3, ohne Gasgriff. Sie wird aber aufgrund der relativ hohen Motorleistung gleich der Kategorie 4 wie ein Kleinkraftrad behandelt. Praktisch bedeutet das: Die Hersteller müssen für sie Typgenehmigung und Betriebserlaubnis ausstellen lassen.

Die Kategorie 1 darf wie ein normales Fahrrad ohne Führerschein gefahren werden. Fahrer der Kategorien 2,3 und 4 benötigen einen Mofa-Führerschein, wenn sie nach dem 1. April 1965 geboren sind, ansonsten ist er in der Auto-Fahrerlaubnis enthalten. Die Kategorien 3 und 4 benötigen zudem noch ein Versicherungskennzeichen.

Innerorts dürfen mit Rädern der Kategorien 3 und 4 keine Radwege benutzt werden, außerorts darf auf Radwegen gefahren werden, muss aber nicht. Wird die Motorkraft nicht genutzt, gelten die Räder aller vier Kategorien als Fahrräder, die dann auch als solche gehandhabt werden dürfen. Eine Helmpflicht besteht für keine der vier Kategorien. Aber so, wie sich der vernünftige Radfahrer einen Helm aufsetzt, sollte es auch ein Pedelec-Fahrer tun, egal, mit welcher Kategorie er unterwegs ist.

Obwohl alle Pedelecs über eine starke Batterie verfügen, müssen die Kategorien 1 und 2 mit einem Dynamo ausgestattet sein, weil sie Fahrräder sind. Diese nicht mehr zeitgemäße Vorschrift steht derzeit [foto id=“411384″ size=“small“ position=“left“]auf dem Prüfstand. Mit einer Änderung ist zu rechnen. Als Zugfahrzeug für Kinderanhänger zugelassen sind nur die Kategorien 1 und 2. Gleiches gilt für Kindersitze.

Am Rande der VELOBerlin, die ganz im Zeichen der Pedelecs steht, lud der Veranstalter gemeinsam mit dem „pressedienst-fahrrad“ zu einem Fahrsicherheitstraining ein. Dabei verwandelte sich theoretisches Wissen im Fahrversuch zur Einsicht, dass sich das Fahren mit einem Pedelec nur unwesentlich vom Fahren mit einem Fahrrad unterscheidet. Wer im Fahrradfahren geübt ist, beherrscht auch die erzielbare elektrogestützte Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h. Er muss sich nur darauf einstellen, dass er leichter und schneller beschleunigt. Das gilt gleichermaßen für die übrigen Verkehrsteilnehmer, die sich oft noch wundern, zumal sich manches Pedelec auf den ersten Blick kaum von einem herkömmlichen Fahrrad unterscheidet. Unsicherheiten, die sich bei Fahranfängern einstellen, sind weniger auf die unterstützende Kraft des Elektromotors zurückzuführen, resultieren vielmehr aus den prinzipiellen Schwierigkeiten, ein Einspurfahrzeug in Balance zu halten.

Die mitunter kritisierten möglichen 45 km/h Spitze für die Kategorie 4 werden von starken Radfahrern auch erreicht und beherrscht – oder nicht. Unfälle, die sich in diesem Bereich ereignen, sollten nicht der Elektrokraft zugeschrieben werden. Sich für ein Pedelec zu entscheiden, heißt 1 500 Euro bis 5 000 Euro aufbringen zu können. Was weniger kostet, ist nach Einschätzung der Experten nicht zu empfehlen.

Für dieses Geld bekommt der Kunde solide gefertigte Räder, deren Batterien für 500 bis 1 000 Ladezyklen gut sind. Mit einer Batterieladung können je nach Temperament beim Beschleunigen und Topografie 30 bis 50 km zurück gelegt werden. Ein neuer Akku kostet dann 400 bis 800 Euro. Es kann erwartet werden, dass das Elektrofahrrad dem Elektroauto weiterhin den Rang ablaufen wird.

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