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Land Rover
Militär und Ambulanz schätzen die Autos von Land Rover ebenso wie Abenteurer und Expeditionsausrüster. Längst haben ihre luxuriösen Erscheinungsformen auch die Garagen der feinen Vorstadtvillen erobert. Dass der Land Rover vor 65 Jahren als Verlegenheitskonstruktion in die Automobilgeschichte startete, ist kaum bekannt.
Als Geburtsstunde der Marke gilt offiziell das Debüt des Serie-I-Autos auf der Amsterdam Motor Show am 30. April 1948. Die Zeugung freilich muss irgendwo in einem Ort in der walisischen Provinz stattgefunden haben. In der Grafschaft Anglesey besaß Maurice Wilks einen Bauernhof. Er war technischer Direktor der Rover Automobilwerke und gemeinsam mit den anderen Mitgliedern des Managements suchte er nach einer zündenden Idee, wie mach der kriegsbedingten Zerstörung des Werkes in Coventry und der allgemeinen Materialknappheit die Produktion wieder in Gang gebracht werden könnte.
Auf seiner Farm hatte er ausgemusterte Militärfahrzeuge als Zugmaschine für Pflüge und anderes Gerät für die Feldarbeit genutzt. Ein kleines und robustes Fahrzeug mit Allradantrieb für die Landwirtschaft – das musste die Lösung der Rover-Probleme sein. Wilks überzeugte seine Kollegen und es wurde ein Fahrzeugchassis aus Militärbeständen mit Motor und Getriebe eines Rovers zusammengeschraubt. Da es an Stahl mangelte, wurde die Karosserie aus Aluminium gefertigt. Werkzeuge und Maschinen zur Bearbeitung der Bleche waren ebenfalls nicht vorhanden, deshalb wurden, wo es ging, flache und gerade Platten verbaut.
Die 48 Exemplare umfassende Vorserie verfügte über permanenten Allradantrieb mit Freilauf und ein Zweigang-Verteilergetriebe. Ein 1,6-Liter-Rover-Motor diente als Kraftquelle. Um das ins Auge gefasste Einsatzgebiet des neuen Fahrzeugs schon mit dem Namen zu dokumentieren, wurde das Gefährt „Land Rover“ genannt. Das Publikum auf dem Autosalon in Amsterdam reagierte überrascht, neugierig und durchweg positiv.
Auch 65 Jahre nach diesem Ereignis gehört der Land Rover zu den Autos mit dem größten Wiedererkennungswert. Nur noch der Marke Jeep wird eine vergleichbar große Allradkompetenz zugerechnet. Die Robustheit der Autos ist legendär, rund 70 Prozent aller gebauten Land Rover sind noch fahrbereit, sagt der Hersteller. Nicht nur die Armeen vieler Länder fanden Gefallen an den Produkten aus Solihull, wohin die Marke wegen der Zerstörung der alten Produktionsstätten umgezogen war, sondern auch die UNO, Hilfsdienste und Umweltorganisationen.
Vom Modell Defender, der Weiterentwicklung der ersten Land Rover, entstanden die skurrilsten Varianten. Die Queen of England benutzte einen offenen Landaulet, in dem sie und der Prinzgemahl hinter dem Fahrer aufrecht standen und sich an einem gepolsterten Rohr festhielten. Das rundum verglaste Papamobil des Oberhauptes der katholischen Kirche wurde weltberühmt, eher unauffällig zog dagegen das mit riesigen Rädern und gewaltiger Bodenfreiheit ausgestattete Forst-Spezialfahrzeug in den königlichen Wäldern seine Bahn. Arktisforscher ließen Raupenketten und die Feuerwehr eine Leiter aufs Dach montieren.
Der Popularität sehr förderlich war der vielfältige Land Rover Einsatz in Film und Fernsehen. Furchtlose Wildhüter in der TV-Serie „Daktari“ fuhren selbstverständlich Defender, die Comic- und Spielfilmfigur Lara Croft chauffierte eine martialisch verbastelte Abart des Offroaders. Auch der Geheimagent Ihrer Majestät „007“ ist nicht mehr auf Aston Martin abonniert. Auf der New Yorker Autoshow präsentierte Schauspieler Daniel Craig den neuen Range Rover Sport – angeblich für ein siebenstelliges Honorar.
Obwohl eine stabile Fangemeinde ihm überall auf der Welt die Treue hält, ist der Defender in Europa zum Problemkind geworden. In Deutschland ist er wegen der verschärften Sicherheitsbestimmungen für Pkw nur noch als leichtes Nutzfahrzeug zulassungsfähig. Es gibt weder einen Fußgängerschutz nach heutigem Standard noch Airbags für die Insassen. Intensiv wird an einem Nachfolger gearbeitet, doch es ist fraglich, ob er so aussehen wird wie die Studie DC 100, die auf der IAA in Frankfurt 2011 enthüllt wurde. Zur Technik der Studie ist bislang gekannt, dass ein Zweiliter-Turbodiesel verbaut werden soll, auch für einen Hybrid-Betrieb soll sie ausgelegt sein.
22 Jahre lang blieb Land Rover die Ein-Modell-Marke, bis 1970 der Range Rover vorgestellt wurde. Laut damaliger Werbung stellte der große Zweitürer „Vier Autos in einem“ dar, nämlich Sportwagen, Limousine, Kombi und Geländewagen. Heute auch von Mitwettbewerbern unbestritten ist die Rolle des Range Rovers als Urvater der heutigen Sport Utility Vehicles (SUV). Einen derart großen und kräftigen Motor bei gleichzeitiger umfangreicher Komfortausstattung hatte man bis dahin in einem Fahrzeug mit uneingeschränkter Geländetauglichkeit noch nicht gesehen. Nach Lesart der Erbauer sollte die „Range“, also die Reichweite des Autos, von der Ackerfurche bis vor die Oper reichen.
Von der Ursprungsmarke Rover längst emanzipiert erreichten die Geländespezialisten 1975 mit diesen zwei Modellen eine wichtige Marke: Es wurde der millionste Land Rover ausgeliefert. Mit dem Verkaufserfolg stieg offenbar auch der Innovationsdruck. 1989 erschien das Modell Discovery auf der Bildfläche, ein gewichtiges Familien- und Freizeitfahrzeug, weitere acht Jahre später öffnete der Freelander die Modellpalette in Richtung einer kompakteren Bauweise.
Mit dem Entstehen von Extremsportarten und Abenteuer-Touristik gelang es dem Land Rover Marketing, die Autos als ideales Vehikel für derartige Aktivitäten zu platzieren. Zunächst schlugen sich Wagemutige mit der „Camel“-Trophy durch Wüsten und Dschungel, später wurde daraus die „G4-Challenge“. Dieser internationale Wettbewerb hatte bald ein derartiges Leistungsniveau erreicht, dass praktisch nur noch gut trainierte Sportler mit einer Neigung zum Autofahren Chancen auf den Sieg hatten. Geländeerfahrung unter sachkundiger Leitung bieten weltweit Experience-Center von Land Rover an, wo man vom Offroad-Lehrgang bis zur Hochgebirgstour allerlei Kurzweiliges buchen kann. Die Spreizung der Geschäftsaktivitäten hat inzwischen auch ein absolutes Spezialgebiet erreicht: den Bau von Hochsicherheitsfahrzeugen. Range Rover, die Kugelhagel und dem Beschuss von Panzerfäusten widerstehen können, genießen nicht nur bei der wohlhabenden Moskauer Bevölkerung hohes Ansehen. Gern wird unter Land Rover-Fans die Geschichte eines Moskauer Händlers erzählt, der eine handverlesenene Schar von potenziellen Kunden in die Einöde chauffieren und dort einen gepanzerten Range Rover aus großkalibrigen Waffen unter Feuer nehmen ließ. Über die Anzahl der vor Ort unterschriebenen Kaufverträge gibt es unterschiedliche Angaben, unzweifelhaft ist aber, dass die Aktion ein nachhaltiger geschäftlicher Erfolg wurde.
Die indische Tata-Gruppe, zu der Land Rover seit fünf Jahren gehört, lässt den Ingenieuren der britischen Geländewagen-Ikone weitgehend freie Hand. Das tut dem Unternehmen offenkundig gut, denn trotz wachsender Skepsis gegenüber großen und schweren Geländewagen für den Hausgebrauch kann Land Rover in jedem wichtigen Markt der Welt auf zweistellige Zuwachsraten verweisen. Zuvor hatten sich BMW (1994 – 2000) und der amerikanische Ford-Konzern mehr oder weniger glücklos an einer Weiterentwicklung der Offorad-Marke versucht. Heute gibt es sechs Baureihen, denn zum Range Rover gesellten sich noch der Range Rover Sport und der Evoque, dessen ungewöhnliches Design den Markt elektrisierte und der zu einem globalen Verkaufs-Hit wurde. In Deutschland war er schon 2012 das mit Abstand meistverkaufte Modell der Marke und machte fast 50 Prozent der Neuzulassungen aus.
geschrieben von auto.de/(ampnet/AfB) veröffentlicht am 06.05.2013 aktualisiert am 06.05.2013
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