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Moto Guzzi hat es in den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten nicht leicht gehabt. Der Name gilt immer noch etwas in der Branche, doch die Käufer fanden nur wenig Interesse an den Motorrädern aus Manello. Das änderte sich zumindest ein wenig vor rund zehn Jahren mit der neuen V7, die den klassischen Geist der Marke beschwor. Doch die zwischen der Retro-Baureihe und der großen 1400er klaffende Lücke ist nicht nur eine des Hubraums (an der auch die V9 mit 853 Kubik nichts ändert), sondern vor allem eine in der Modellabdeckung. Das soll sich mit der V85 TT nun ändern.
Die neue Zwei-Zylinder-Maschine unter dem Markenlogo des fliegenden Adlers stößt in das publikumsstarke Segment der Mittelklasse-Enduros vor, in denen sich unter anderem die BMW F 850 GS, die KTM 790 Adventure und die Triumph Tiger 800 tummeln. Zunächst einmal ist auch die neue Guzzi eindeutig eine Guzzi. Am Prinzip des quer eingebauten und nach wie vor luftgekühlten 90-Grad-V2 wurde ebenso wenig gerüttelt wie am Kardantrieb, den im Midsize-Enduro-Segment sonst keiner zu bieten hat.
Als eine Marke, die sich ihrer Tradition verpflichtet fühlt, folgt das Design an vielen Stellen dem typischen Stil des ältesten noch aktiven Motorradherstellers Europas. Da fällt vor allem sofort die Form des Tanks auf, der sich mehr in die Breite als in die Höhe rundet und klare Knieeinbuchtungen trägt. Das Volumen von 23 Litern sieht man ihm nicht unbedingt an, ist aber mehr als ein Wort. Auch wenn es in der Guzzi-Historie Maschinen wie die V65 TT und die Stelvio 1000 gab, ein Retro-Bike ist die V85 nicht. Die Marketingabteilung spricht recht treffend von „classic enduro“ und sortiert sie in die Mitte von Crossovermodellen und einfachen Enduros auf der einen und Scramblern und Adventurebikes auf der anderen Seite ein.
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Wenngleich der Hubraum der Neuen aus Mandello exakt dem der V9 entspricht, handelt es sich um einen komplett neuen Motor, der da am ebenfalls neu konstruierten Gitterrohrrahmen hängt. Das wird nicht nur mit Blick auf die innermotorischen Details deutlich, sondern allein schon auf dem Datenblatt sichtbar. 80 PS und 80 Newtonmeter contra 55 PS und 55 Nm. An Leistung und Drehmoment herrscht also bei der V85 TT kein Mangel. Sie werden per elektronischer Gassteuerung mit drei Fahreinstellungen abgerufen (Road, Rain, Offroad). Das farbige TFT-Cockpit ist auf der Höhe der Zeit, das zwischen den beiden runden Hauptscheinwerfern als Adler-Silhoutte ausgeführte Tagfahrlicht ein willkommener Gag. Die turbinenartig gestalteten beiden LED-Rückleuchten sind ebenfalls ein nettes Designgimmick, passen aber eher zu einer Supersportlerin als zu einer Allrounderin.
Beim Start schüttelt sich der V2 Guzzi-typisch erst einmal ein wenig hin und her, glänzt aber im Fahrbetrieb mit kultiviertem Lauf. Es kribbelt allenfalls ein wenig an den Lenkerenden, ansonsten sind der V85 TT Vibrationen fremd. Entsprechend weich fällt die Leistungsentfaltung aus, was jedoch nicht bedeutet, dass es nicht zur Sache geht. Im Gegenteil. Die Befehle der rechten Hand werden unmittelbar umgesetzt, und wer den Hahn aus dem Leerlauf heraus aufreißt, der bekommt sogar eine gewisse Bissigkeit zu spüren. Ab 2500 Umdrehungen läuft der Twin rund, 1000 Touren später schiebt er nachdrücklich voran, wobei das früh anliegende hohe Drehmoment die Drehzahlen in angenehmen Regionen hält. Im flott gefahrenen Alltag braucht es fast nie mehr als 5000 U/min. Allenfalls bei beherztem Überholen steht einmal eine Sechs vorne. Die höheren Bereiche hat Moto Guzzi übrigens grau hinterlegt, wobei das Display auch rot kann, wie nicht nur der Hinweis auf das abgeschaltete Hinterrad-ABS im Offroad-Modus belegt. Bei 6900 Umdrehungen beginnt das neuralgische Feld, 300 Touren später flackert gefühlt das halbe Cockpit beim Schaltblitz (es sind acht Leuchten) auf, und bei 7800 Umdrehungen ist dann definitiv finito.
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Die Sitzbank ist bequem und das Handling der neuen Mandello-Kreation ohne Tadel. Die hüben wie drüben 170 Millimeter Federweg sind nicht die Welt, aber vor allem komfortabel abgestimmt. Hier beweist Moto Guzzi klar, dass es nicht zwangsläufig elektronisch geregelter Dämpfer braucht. Klassik-Enduro halt. Etwas engagiertere Fahrer dürften sich die Federvorspannung und Zugstufe vorne feinjustieren, denn beim Beschleunigen hebt sich die USD-Gabel gerne ein wenig und taucht beim Bremsen etwas tiefer ein. Dafür sind dem Kardan Lastwechselreaktionen fremd. Ruhigen Gewissens lässt sich mit der V85 TT zudem ohne wahrnehmbares Aufstellmoment in Schräglage bremsen. Mit dem 19-Zoll-Vorderreifen und dem Metzeler Tourance Next lässt sich die Fuhre absolut punktgenau steuern, während der alterntaive Michelin Anakee Adventure aufgrund seines Profils in Schräglage nicht ganz so feinfühlig der Spur folgt.
Auf losem Untergrund kann sich der TT-Reiter im zweiten und dritten Gang ganz auf das Drehmoment sowie den hervorragenden Knieschluss verlassen. Vor allem aber ist die V85 ein Kurvenräuber für die Landstraße. Die exakte Vorderradführung, das fehlende Aufstellmoment beim Bremsen in Kurven und eine hohe Schräglagenwilligkeit mit keineswges seltenem Kontakt zwischen Sohle und Asphalt grantieren in Verbindung mit dem sanft laufenden V2 jede Menge Fahrdynamik. Zudem fällt der Kraftaufwand an Kupplungs- und Bremshebel sehr moderat aus. Der linksseitig geführte Eintopf des Zweizylinders gefällt durch eine dezente und nicht zu tiefe Tonlage zwischen Brummen und Bellen.
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Mit Tempomat, USB-Port am Cockpit, Gepäckbrücke und Handschützern sowie wirksamem und in der Neigung verstellbarem Windschild ist die V85 TT von Hause aus respektabel ausgestattet. Nicht nur die Hand, sondern auch die Fußhebel sind einstellbar. Die Standardsitzhöhe beträgt 83 Zentimeter, zwei mehr und zwei weniger sind aber auch möglich. Optional ist die Bluetooth-Koppelung des Smartphones mit der Guzzi-App Mia für Navigation, Telefonie und Speicherung von Fahrdaten möglich.
Die Standardversion kommt einfarbig und mit Tourenscheibe sowie den Metzeler-Reifen daher, während die beiden dreifarbigen TT-Ausgaben mit kürzerem Windschild und den Dual-Purpose-Pneus von Michelin sowie Sitzbank in Alcantaraoptik mehr den Abenteurer rauskehren. Dazu gibt es passend zwei verschiedenartige asymetrische Koffersets, die sich vom Volumen her aber nahezu gleichen. Die Preisdifferenz zwischen den beiden Varaianten beträgt 300 Euro. Und natürlich gibt es eine Reihe von hauseigenem Zubehör, angefangen vom Hauptständer über einklappbare Endurospiegel bis hin zu Nebelzusatzscheinwerfern. Optional ist beispielsweise auch ein zweiter USB-Anschluss unter der Sitzbank zu haben.
Man muss kein Prophet sei, um zu wissen, dass der TT noch weitere V85-Varianten folgen werden. Die Erfahrungen mit der Enduro wecken beispielsweise die Vorfreude auf eine Roadster. Der Adler aus Mandello del Lario hat hier auf jeden Fall eine saubere Landung in der Mittelklasse hingelegt. Da müsste es schon nicht mehr mit rechten Dingen zu gehen, wenn es der Marke mit dem neuen Modell nun nicht endlich gelingt, weltweit wieder mehr Motorräder im Jahr zu verkaufen als allein die beiden zulassungsstärksten Maschinen in Deutschland zusammenbringen. Jetzt muss das Marekting den Briten nur noch beibringen, dass TT (natürlich) nicht für Tourist Trophy, sondern für Tutto Terreno steht.
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Motor | 90-Grad-V2, 883 ccm, luftgekühlt |
Leistung | 59 kW / 80 PS bei 7750 U/min |
Max. Drehmoment | 80 Nm bei 5000 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 195 km/h |
Beschleunigung 0–100 km/h | k.A. |
Getriebe | sechs Gänge |
Antrieb | Kardan |
Tankinhalt | 23 Liter |
Sitzhöhe | 830 mm |
Gewicht | 229 kg (fahrbereit) |
Normverbrauch | 4,9 l/100 km |
CO2-Emissionen | 118 g/km |
Bereifung | 110/80 R19 (vorne), 150/70 R17 (hinten) |
Basispreis | 11 999 Euro (zzgl. NK) |
geschrieben von AMP.net/jri veröffentlicht am 12.03.2019 aktualisiert am 12.03.2019
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