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Rolls-Royce Dawn
Reich sein, bescheiden auftreten, das haben sich viele Wohlhabende in Deutschland zum Lebensmotto gemacht. Asiaten oder Amerikaner sind da nicht so zimperlich. Sie zeigen gern, was sie haben. Für die Wahrnehmung der eigenen Finanzkraft durch andere kann es manchmal hinderlich sein, ein Autodach über dem Kopf zu haben. Abhilfe versprechen Fahrzeuge wie der Rolls-Royce Dawn.
Nach dem Auslaufen des Modells Phantom Drophead Coupé ist es der zurzeit einzige verfügbare offene Rolls-Royce. Aller Voraussicht nach wird er es auch bleiben, denn alle Nachfragen, ob das für dieses Jahr anstehende neue Phantom-Modell wieder eine Cabriolet-Variante bekommen soll, werden mit Kopfschütteln beantwortet. Aber Meinungen können sich ändern, wie jüngst bei der „Black-Badge“-Sonderedition für die Modelle Wraith und Ghost.
Den beiden Finsterlingen im Aufgebot, die mit abgedunkelten Felgen, einer schwarzen Kühlerfigur und teils schrillen Innendekorationen eine jüngere Kundschaft ansprechen sollen, würde kein drittes Modell Dawn folgen, hieß es von Rolls-Royce-Offiziellen noch im März. Jetzt steht die Präsentation eines Black-Badge-Cabriolets kurz bevor.
Bis also der Dawn der schwarzen Magie offiziell anheimfällt, muss man sich noch mit dem Standard-Modell begnügen, wobei die Verknüpfung der Begriffe Standard und Rolls-Royce eigentlich ein Widerspruch in sich ist. Die Dämmerung des Morgens (engl. „Dawn“) beeindruckt schon durch schiere Masse: 5,30 Meter lang, fast 2,6 Tonnen schwer (etwa 200 Kilogramm mehr als das geschlossene Schwestermodell Wraith) und die Kleinigkeit von 420 kW / 570 PS aus zwölf Zylindern mit 6,6 Litern Hubraum.
Copyright: Auto-Medienportal.Net/Axel F. Busse
Den Genuss, kein Dach über dem Kopf zu haben, gönnt man sich am besten in Gegenden, wo die Rolls-Royce-Dichte ohnehin zu den größten weltweit zählt: An der Côte d’Azur. Gerade jetzt, etwa zu den Filmfestspielen in Cannes, dürfte die Flaniermeile der Croisette ein geeigneter Ort sein, um seinen Dawn auszuführen. Eventueller Stau auf dem Boulevard direkt am Mittelmeer-Strand wird billigend in Kauf genommen, denn umso länger haben die Schaulustigen Zeit, das rollende Schlösschen mit seinem verschwenderischem Angebot von glänzendem Edelstahl, feinstem Leder und handpolierten Edelholzverkleidungen in Augenschein zu nehmen. Genaues Hinhören ist unnötig, der Zwölfzylinder läuft, auch wenn man vereinzelt den Verdacht haben könnte, eine profane Start-Stopp-Automatik hätte dem seidigen Surren den Garaus gemacht. Das wäre natürlich ein Irrtum, denn Hilfsmittel zur Verbrauchsreduzierung werden von Kunden, die mehr als 300 000 Euro für einen fahrbaren Untersatz ausgeben, nur äußerst selten nachgefragt.
Die Urgewalt von 780 Newtonmetern Drehmoment so zu dosieren, dass sie mit der Lässigkeit eines Steve McQueen und der Durchsetzungsfähigkeit eines Arnold Schwarzenegger die Bühne einnimmt, ist Aufgabe des Acht-Gang-Getriebes von ZF. Das Gewicht von zwei VW Golf wird unter fünf Sekunden auf 100 km/h beschleunigt, „anstrengungslos“, wie es das Rolls-Royce-Marketing gern verlauten lässt. Tatsächlich bleibt der enorme Schub, der sich beim Niederdrücken des Gaspedals entfaltet, zu keiner Zeit als unbeherrschbar empfunden, vielmehr ist es dem Gefühl nahe, das man beim Start eines Jumbo-Jets in einem First-Class-Sessel hat. Nur eben leiser.
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Als „Alter Ego“ von Rolls-Royce hat sein Chef, Torsten Müller-Ötvös, Black Badge einmal bezeichnet: „Dunkler, direkter, kraftvoller“. Dunkler könnte etwa die Geräuschkulisse ausfallen, so wie es schon beim Wraith deutlich zu vernehmen war. Jüngere Kunden will man ansprechen, vor allem jene, die ihre Preziosen nach der Auslieferung umgehend beim Spezialausrüster vorfahren und nicht immer geschmackssichere Verfeinerungen vornehmen lassen. Schrille Farben für Polster und Verkleidungen sind bei der Sonderedition inklusive, gern auch Carbon-Oberflächen, auf denen die Kohlefasern mit Aluminium-Fäden von 0,014 Millimetern Durchmesser verwoben sind. Die Oberfläche des neuen Materials wird mit sechs Schichten Klarlack versiegelt und nach einer 72-stündigen Trocknungspause von Hand auf Hochglanz poliert. Wer sich beim Anblick an Strickmuster erinnert fühlt, lebt nicht in der Welt von Rolls Royce.
Ob die Straßen-Yacht dann 450 kW / 612 PS (wie der Ghost Black Badge) oder 465 kW / 632 PS (wie der Wraith) haben wird, dürfte von untergeordneter Bedeutung sein. Als sicher kann aber gelten, dass eine intelligente Elektronik die Gasannahme steuert und die spontane Rückmeldung des Getriebes noch etwas anschärft. Bei mehr als 25-prozentiger Gaspedalstellung ändert sich mit dieser Technik die Getriebecharakteristik: Es hält die Fahrstufen länger und wechselt diese rund 200 bis 500 U/min später als beim Dawn ohne schwarze Emily. Zudem wird das Herunterschalten des Getriebes durch 20 Prozent weniger Druck auf das Gaspedal initiiert. Damit soll der Dawn Black Badge noch schneller auf Fahrerwünsche reagieren.
Veränderungen am Fahrwerk könnten ihn für schmale Kehren straffen – an der Côte d’Azur gibt es reichlich davon –, die Seitenneigung mindern und das Eintauchen des schweren Vorderwagens bei scharfer Verzögerung minimieren. In ihren schwarzen Varianten haben Ghost und Wraith bereits größere Bremsscheiben bekommen. Dafür, dass die Höchstgeschwindigkeit von abgeregelten 250 km/h angehoben wird und das Mehr als Fitness sich auch in dieser Disziplin manifestiert, gibt es derzeit keine Belege.
Worauf sich potentielle Kunden für einen Dawn Black Badge verlassen können, ist höchster Luxus- und Leistungsstandard sowie die Gewissheit, das Muster der in die Vorderkotflügel eingelassenen Schirme abgestimmt auf die Farbe des Außenlacks bekommen zu können. Extreme Exklusivität wäre garantiert, nur 39-mal wurde vergangenes Jahr hierzulande ein Dawn neu zugelassen. Der Preis? Ein Detail, das unter Rolls-Royce-Kunden keine Priorität genießt. Um aussichtlosen Träumereien vorzubeugen, seien zwei Zahlen hier genannt: Ein Dawn kostet derzeit in Deutschland 329 630 Euro, für die Schwarzmalerei an Ghost oder Wraith waren zuletzt etwa 15 Prozent Aufschlag fällig.
Copyright: Auto-Medienportal.Net/Axel F. Busse
geschrieben von AMP.net/Sm veröffentlicht am 06.06.2017 aktualisiert am 06.06.2017
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