Was war 2012? – Im Jahr des Golf

Im chinesischen Horoskop war 2012 das Jahr des Drachens. Der steht für begeisternde Ideen und Visionen. Derlei sah man weder auf dem dortigen noch auf dem hiesigen Automarkt in großer Zahl. Aus deutscher Sicht kommt der Drache aus Wolfsburg und tarnt sich als schlichter Golf. „Das Auto“, wie Volkswagen in aller Bescheidenheit nicht nur seine Produkte insgesamt sondern auch seinen Bestseller insbesondere nennt, wurde im Spätsommer in seiner siebten Generation vorgestellt.

Wie schon seine sechs Vorgänger besticht auch Nummer sieben durch schlichte Unauffälligkeit und eine gewisse Zeitlosigkeit. Dahinter steckt Kalkül, schließlich soll ein älteres Modell nicht gleich als solches geoutet werden. „Beim Golf weiß man, was man hat“, lautet die ungeschriebene Botschaft in Anlehnung an eine Waschmittelwerbung. Ein Slogan, der den Dauerspitzenreiter der deutschen Zulassungshitparade so schön klassenlos und erfolgreich darstellt. Er passt eben zum Vertreterfuhrpark genauso gut, wie auf den Parkplatz des Kindergartens oder die Tiefgarage der Oper.

Damit leistet der Golf einen nicht unerheblichen Beitrag zum Gesamtergebnis des Konzerns und zum Ziel, der größte Automobilhersteller weltweit zu werden. So wie der Konzern ist auch das Fahrzeug seit 1974 gewachsen: Statt 3,70 Meter streckt es sich [foto id=“447491″ size=“small“ position=“right“]in der neuesten Version auf 4,26 Meter, statt 750 Kilogramm wiegt es rund 1,2 Tonnen und statt knapp 8.000 Mark kostet es heute in der Basisvariante 16.975 Euro.

Als der erste Golf 1974 auf den Markt kam, revolutionierte er mit Frontantrieb, quer eingebautem Motor und praktischem Steilheck seine Fahrzeugklasse. Seitdem wird dieser Vorsprung von Volkswagen routiniert aber erfolgreich verwaltet. Brüche sind den Golf-Generationen fremd, davon macht auch die in Länge, Breite und Radstand erneut gewachsene, in der Höhe aber abgeflachte und beim Gewicht um bis zu 100 Kilo abgespeckte neue Variante keine Ausnahme.

Die neue Leichtigkeit der Karosse zeugt vom technischen Fortschritt, den der Wolfsburger auch dringend nötig hat. Schließlich will der Platz an der Sonne verteidigt werden und Herausforderer kommen aus allen Richtungen. Da gibt es zunächst die Konkurrenz im eigenen Haus, durch den Audi A3, die feinere Ausgabe des Golf, oder die preiswerteren Varianten in Form des größeren Skoda Octavia bzw. des auf Sportlichkeit ausgelegten Seat Leon. Auch Modelle wie der VW Tiguan oder der Audi Q3 knabbern am Golf-Kuchen, sprechen sie doch zumindest eine ähnliche Zielgruppe an.

Vor allem aber außerhalb des Konzerns gerät der Golf zusehends in eine Sandwichposition: Von unten wollen ihm die preiswerteren und mit langen Garantien ausgestatteten koreanischen Modelle Kia Ceed und Hyundai i30 sowie etliche japanische und europäische Modelle das Leben schwer machen, von oben bedrängen Premium-Angebote wie die Mercedes [foto id=“447492″ size=“small“ position=“left“]A-Klasse oder der 1er von BMW den auch nicht gerade billigen Volkswagen. Und dann gibt es ja noch die etablierte Konkurrenz wie Opel Astra oder Ford Focus.

Letzterer verkauft sich weltweit sogar besser, ebenso der Toyota Corolla (Auris). Dagegen setzt VW auf den Jetta. Der ist zwar mit dem Golf verwandt, aber mehr als ein Golf mit Kofferraum wie in seinen Anfangstagen. Der modulare Querbaukasten, Wolfsburgs Formel für den fast klassenlosen Techniktransfer, ermöglicht hohe Verwandtschaftsgrade ohne allzu große Ähnlichkeiten – rein äußerlich betrachtet. Gemeinsam mit dem Jetta wäre der Golf auch international gut für vorderste Verkaufsplätze. Ohne ihn arrangiert er sich meist im Mittelfeld der Top Ten, schön unauffällig, wie es seine Art ist.

Auf dem großen Wachstumsmarkt in China läuft ihm übrigens der VW Santana schon immer den Rang ab. So gesehen ist das Jahr des Drachens nicht überall auch das Jahr des Golf. VW kann es egal sein, solange ein Modell der Wolfsburger in jedem Markt vorne dabei ist.

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