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Eines der heißesten Diskussionen des Jahres 2012 drehte sich ausgerechnet um Kühlung für hitzegestresste Autofahrer. Die Auseinandersetzung um das Klimaanlagen-Kältemittel mit dem sperrigen Namen R1234yf schwelte schon seit längerem – im Herbst entflammte sie aber mit voller Kraft, kurz bevor der Einsatz endgültig zur Pflicht wird. Auslöser war die Ankündigung von Daimler, wegen Sicherheitsbedenken auf den Einsatz verzichten zu wollen. Bei einem Test war ein mit dem Kältemittel befülltes Fahrzeug der B-Klasse in Flammen aufgegangen. Seitdem brennt der Streit lichterloh.
Die Situation ist unübersichtlich, emotional aufgeladen und polarisierend. Hat Daimler mit seinem Alleingang und der Weigerung, R1234yf einzusetzen einen PR-Coup landen wollen? Vielleicht um die klare Führungsrolle bei der Fahrzeugsicherheit zurück zu erobern? Oder hat die gesamte Branche mit der gemeinsam getragenen Entscheidung für das schon zuvor umstrittene Kältemittel Sicherheitsbedenken zugunsten niedriger Kosten zurückgestellt? Oder hat R1234yf-Monopolist Honeywell eine Gelddruckmaschine erfunden, die jetzt mit Klauen und Zähnen verteidigt werden soll?
Die Vorgeschichte: Das neue Kältemittel sollte ursprünglich bereits seit 2011 bei neuen Pkw-Typen das bisher verwendete R134a ersetzen. 2017 ist es für alle Neuwagen Pflicht. Hintergrund für den Wechsel des Kältemittels ist eine EU-Richtlinie, die für derartige Stoffe ein niedrigeres Treibhaus-Potential fordert. Die deutsche Automobilindustrie hat sich vor diesem Hintergrund bereits 2010 für R1234yf entschieden – obwohl es auch Alternativen gab. Zunächst verzögerte sich der flächendeckende Einsatz des neuen Kältemittels aber aufgrund von Lieferschwierigkeiten bei Hersteller Honeywell. Diese sollen laut dem Unternehmen mittlerweile behoben sein.
Doch nun sorgt der Daimler-Vorstoß für Unruhe, die Diskussion flammt wieder auf. Der Konzern hatte im September in einem simulierten Unfall die mögliche Entflammbarkeit von R1234yf nachgewiesen. Bei einem vergleichbaren Versuch mit dem bisher eingesetzten R134a hingegen gab es keine Probleme. Honeywell bestreitet nun die Realitätsnähe und damit die Relevanz des Tests. Der Chemiekonzern geht sogar so weit, Daimler indirekt anzugreifen. „Autohersteller überall auf der Welt waren in der Lage, ihre Fahrzeugplattformen so anzupassen, dass der sichere Einsatz von R1234yf gewährleistet ist“, heißt es in einer Stellungnahme des Unternehmens. Auch Daimler sollte dazu fähig sein, geht es weiter. Im Kern geht es dabei um sogenannte Hitzeschilde, die einen Kontakt des Kältemittels mit heißen Teilen von Motor oder Abgasstrang vermeiden sollen.
In der Tat steht Daimler mit seiner Kritik vorerst allein. Der Auto-Ingenieursverband Society of Automotive Engineers (SAE) hat gerade erste Ergebnisse neuer Untersuchungen veröffentlicht, die die Daimler-Sorgen zumindest nicht stützen. Die Stuttgarter bestehen aber weiterhin darauf, dass die Risikoeinschätzung begründet ist. Zumindest bislang tragen die anderen Hersteller den Boykott jedoch nicht mit. Bei Volkswagen hat sich zwar Konzern-Patriarch Ferdinand Piech zuletzt kritisch gegenüber R1234yf geäußert, eine entsprechende Stellungnahme des Unternehmens gibt es jedoch nicht. Auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) schlägt sich bisher nicht auf eine Seite, verweist auf notwendige weitere Prüfungen.
Aktuell scheint es zu einem Patt gekommen sein. Daimler und VDA wollen nun mehr Zeit, haben sich bei den Behörden um eine Verlängerung der Übergangsfrist bemüht. Ansonsten würden bereits ab Anfang 2013 Strafen drohen, wenn weiterhin das alte Kältemittel R134a verwendet wird, wie es Daimler vorhat. Der Handlungsdruck ist aber nicht bei allen Automobilherstellern so groß wie bei den Stuttgartern. Volkswagen etwa hat seinen Golf VII schon vor dem Stichtag der Neuregelung homologieren lassen, so dass er und alle seiner Derivate bis 2017 mit R134a vom Band laufen dürfen.
Gleichzeitig werden aber Alternativen geprüft. Eine davon heißt – auch bei Daimler – CO2. Der Stoff ist ebenfalls klimafreundlicher als das bisher verwendete R134a und würde die EU-Vorgaben locker erfüllen. Zudem ist er nicht brennbar und auch sonst vergleichsweise ungefährlich. Und er ist frei verfügbar, müsste nicht bei einem einzelnen Hersteller mit Patentansprüchen eingekauft werden. Allerdings hat CO2 einen entscheidenden Nachteil, der wohl auch bei der ursprünglichen Kältemittel-Entscheidung eine Rolle gespielt hat: die Kosten. CO2 selbst ist zwar nicht teuer, die nötigen Klimaanlagen wären es aber doch. Bei R1234yf hingegen könnte man einfach die bestehende Technik weiter nutzen.
Wie es weiter geht mit R1234yf ist nur schwer abzuschätzen. Ebenso, wie gefährlich der Stoff nun wirklich für den Autofahrer ist. Das Thema wird die Branche daher wohl auch 2013 noch weiter beschäftigen.
geschrieben von auto.de/sp-x veröffentlicht am 28.12.2012 aktualisiert am 28.12.2012
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