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Mazda
Diesen Abend im Jahr 1979 wird Bob Hall sein Lebtag nicht vergessen. Nicht dass der Journalist nicht schon ein paar andere Interviews geführt hätte. Schließlich war er damals leitender Redakteur beim US-Magazin Autoweek und hochkarätigere Gesprächspartner gewöhnt als den Entwicklungschef von Mazda. Doch dass Kenichi Yamamoto den Spieß zum Ende des Interviews einfach umdrehte, plötzlich den Reporter in die Mangel nahm und von ihm hören wollte, was Mazda denn in Zukunft für Autos bauen sollte, das war schon ein bisschen ungewöhnlich. Und was daraus einmal werden sollte, nicht weniger als eine kleine Sensation. Denn genau diese Begebenheit markiert die Geburt des Mazda MX-5, der es in mittlerweile 25 Jahren und drei Generationen mit knapp einer Million Verkäufen nicht nur zum erfolgreichsten Sportwagen der Welt gebracht hat. Ohne ihn hätte es auch offene Zweisitzer wie den Audi TT, die Fiat Barchetta oder den Mercedes SLK nie gegeben. So wurde Hall vom Geburtshelfer für den Traum aller sportlichen Sonnenanbeter streng genommen sogar zum Retter des Roadsters.
„Bis dahin war es allerdings ein ziemlich langer Weg“,[foto id=“511042″ size=“small“ position=“right“] erinnert sich Hall zum Jubiläum des kleinen Sonnengotts. Denn der Wunsch nach dem kleinen, leichten und vor allem bezahlbaren Sportwagen mag ihm zwar leicht über die Lippen gegangen sein: „Ich habe einfach in den Overdrive geschaltet und drauf los geredet“. Aber bis die Idee in Japan gezündet hat, durch die Instanzen und am Ende auf der Straße war, hat es doch noch zehn Jahre gedauert.
Dass so ein Auto her musste, war für Hall keine Frage. „Ich bin quasi in solchen Roadstern aufgewachsen“, erzählt der Mann, der auch heute noch Benzin im Blut zu haben scheint. Seit sein Vater als Bomberpilot im Zweiten Weltkrieg von seiner Stationierung in England die Liebe zu schrägen Sportwagen mitgebracht hat, habe es daheim eigentlich immer einen offenen Zweisitzer gegeben. „Denn in was für einem Auto könnte man die wunderbaren Küstenstraßen in Kalifornien besser genießen als in einem Triumph TR2 oder einem Austin Healy?“ fragt Hall. Doch irgendwann waren diese Autos [foto id=“511043″ size=“small“ position=“left“]plötzlich alle vom Markt verschwunden: Die Engländer waren pleite, die Italiener hatten sich abgemeldet – plötzlich gab es nur noch die schweren amerikanischen Muscle-Cars, die Corvette oder die teuren offenen Sportwagen aus Deutschland. „Wer aufs Geld schauen musste, der pflegte sein altes Auto oder guckte in die Röhre. Das durfte so nicht bleiben, “ erklärt Hall seine Beweggründe.
Und wenn sich Mister Hall was in den Kopf setzt, dann gibt er sich so schnell auch nicht geschlagen. Nicht umsonst prangt auf seinem Nummernschild damals „Ikigai“, ein Ehrentitel, den er neben seinem fließenden Japanisch von einer Studienreise nach Nippon mitgebracht hat und der frei übersetzt so etwas wie „Besessenheit“ bedeutet. Und Hall war so von der Idee für den kleinen leichten Sportwagen besessen, dass er kurzerhand seinen Journalistenjob an den Nagel hängte und bereitwillig zusagte, als ihm im gerade eröffneten Design-Studio in Kalifornien einem Job als Trendscout anbot. Zwar ging es dort vordringlich um neue Limousinen, Kleinwagen oder PickUps. Doch als Yamamoto san nach einem Testtag mit einem Triumph Spitfire rund um den Fuji in Japan auch Feuer und Flamme von der Roadster-Idee war, hatte Hall endlich auch das Projekt „729“ auf dem Tisch: „Baut mir dieses Auto“, lautete der Auftrag aus Japan. Dummerweise musste Hall aber nicht nur Techniker wie Yamamoto überzeugen, sondern auch die Buchhalter. Und das war ungleich schwieriger, erinnert sich der PS-Pensionär: „Wie sollte ich den Japanern 250 Millionen aus dem Kreuz leiern[foto id=“511044″ size=“small“ position=“right“] wenn in diesem Segment in Amerika im ganzen Jahr keine 2.000 Autos mehr verkauft wurden?“
Ganz nebenbei musste für den Lightweight Sportscar, so der offizielle Entwicklungstitel, auch noch die gesamte Mazda-Struktur umgekrempelt werden. Denn weder technisch noch organisatorisch gab es irgendwelche Prozesse, an denen sich das Projektteam orientieren konnte: „Alles im Unternehmen war darauf ausgerichtet, die aktuellen Modelle zu pflegen und Toyota, Chevrolet oder Ford hinterher zu hecheln. Selbst mal was Neues auszuprobieren, war einfach nicht vorgesehen.“ Deshalb mussten Hall viel improvisieren, dem Unternehmen immer neue Möglichkeiten abtrotzen: „Es war, wie wenn man einen Teller Spaghetti an die Wand wirft und schaut, was davon hängen bleibt.“
Ganz offensichtlich ist damals das richtige hängen geblieben. Denn Projekt 729 war offenbar gut genug, um sich durchzusetzen. Es gab – zum ersten Mal bei Mazda – einen Wettbewerb der verschiedenen Designstudios, Hall boxt seinen Entwurf durch, fünf Jahren nach dem Dinner hebt Tokio den Daumen und nach fast genau zehn Jahren steht im Frühling 1989 auf der Motorshow in Chicago tatsächlich ein leichter Roadster im Rampenlicht, der über Nacht zum Erfolg wird. In Amerika überbieten sich die Neukunden mit ihren Preisaufschlägen, nur um möglichst schnell hinters Steuer zu kommen. Und als der Wagen 1990 als MX-5 nach Deutschland kommt, ist das geplante Jahreskontingent nach drei Tagen ausverkauft. Statt wie von der Zentrale gefordert, 1.000 Autos im Monat wurden so in guten Jahren über 50.000 MX-5 verkauft.
Wenn Hall ergründen soll, was den Erfolg des MX-5 ausmacht, muss er nicht lange überlegen. Er holt nicht endlos weit aus, erzählt was von geringem Gewicht und direktem Fahrverhalten, von der vergleichsweise großen Alltagstauglichkeit oder dem attraktiven Preis. Sondern er bringt den Erfolg auf eine einfache Formel: „More smiles per gallon: Es hat sicher stärkere und schnellere Sportwagen gegeben, und welche, die technisch raffinierter waren“, räumt der Erfinder ein. „Aber keiner war so ein Garant für gute Laune wie der MX-5.“
Davon kann der MX-5-Erfinder selbst ein Lied singen. Denn an seine erste Testfahrt erinnert sich Bob Hall noch genau. Das war kurz vor der Premiere auf der Messe in[foto id=“511046″ size=“small“ position=“right“] Chicago als sie ein Auto für Messzwecke in Irvine hatten. „Ohne Zulassung, im Container angeliefert, war der Wagen nie in Kalifornien auf der Straße,“ erinnert sich Hall. Fast nie. Denn eines Abends im Schutz der Dunkelheit durfte Hall ihn zum Dank für seine Arbeit mit nach Hause nehmen und musste ihn aber vor dem Morgengrauen wieder zurückbringen. „Aus einer Strecke von sonst 20 Minuten wurde so die längste Heimfahrt meines Lebens.“
Mittlerweile ist Hall längst in Rente. Zwar hat Mazda ihn zum runden Geburtstag des MX-5 noch einmal in die Pflicht genommen, doch mit dem Tagesgeschäft hat er genauso wenig zu tun wie mit der Entwicklung der vierten MX-5-Generation, die im Herbst ihre Weltpremiere [foto id=“511047″ size=“small“ position=“left“]feiern wird. „Warum sollten die Japaner einen alten Sack wie mich auch um Rat fragen“, witzelt Hall und spielt auf den anhaltenden Erfolg seiner Idee an. „Die haben doch in den letzten Jahrzehnten zur Genüge bewiesen, dass sie wissen wie sie es mit dem MX-5 anstellen müssen.“ Und spätestens, seit der neue Projektleiter Nobuhiro Yamamoto angekündigt hat, dass der nächste MX-5 noch einmal 100 Kilo leichter wird und einen tieferen Schwerpunkt bekommt, war Hall vollends beruhigt und wartet jetzt ungeduldig darauf, wenn er seine Bestellung abschicken kann. Denn auch wenn er keine 20 mehr ist, die Muskeln etwas müde und die Hüften dafür ein bisschen breiter sind, ist er rund um seine Heimat Los Angeles noch täglich im MX-5 unterwegs. „Erstens gibt es nirgendwo schönere Straßen für einen Roadster als in den Hügeln hinter Hollywood. Und zweitens gibt es kein anderes Auto, in dem sich selbst ein alter Sack wie ich noch einmal so jung fühlen kann.“
geschrieben von auto.de/sp-x veröffentlicht am 16.05.2014 aktualisiert am 16.05.2014
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