Zwischenbilanz zum Großversuch mit Gigalinern

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Die einen nennen sie „Lang-Lkw“ oder „Euro-Combis“, die anderen „Gigaliner“, und alle meinen sie das Gleiche: Riesen-Lastwagen mit einer Gesamtzuglänge von bis zu 25,25 Metern und einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 40 Tonnen. Im kombinierten Verkehr, bei dem der überwiegende Teil der zurückgelegten Strecke mit der Eisenbahn, mit der Binnen- oder Seeschifffahrt bewältigt wird und die Passagen der Fracht auf der Straße so kurz wie möglich sind, dürfen sie in Deutschland sogar bis zu 44 Tonnen tragen. Mindestens seit Mitte 2005 liegen sich Förderer und Feinde der Groß-Lkws in den Haaren. Damals gab es hier zu Lande einige Ausnahmegenehmigungen zum Betrieb von Euro-Combis in Deutschland in verschiedenen Bundesländern. Die Voraussetzungen zum Betrieb sind damals wie heute fünf Jahre Praxis der Fahrer auf einem Standard-LKW, keine Unfälle, keine Eintragung in das Verkehrsregister, kein Überholen und kein Abweichen von zuvor festgelegten Strecken. Auch für die Fahrzeuge gelten strenge Vorschriften. Sie müssen unter anderem mit einem automatischen Abstandsregelsystem, Spurhalteeinrichtungen und elektronisch gesteuerten Bremsen ausgestattet sein sowie über Kameras am Heck, einer automatischen Achslastüberwachung und einer Differenzialsperre ausgestattet sein.

Experimente mit Lang-Lastwagen hatte es zuvor in einer Vielzahl von Mitgliedsländern innerhalb der Europäischen Gemeinschaft gegeben. Alle waren problemlos verlaufen, so dass die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung Ende 2011 per Ausnahmegenehmigung die Fortführung des Versuchs erlaubte – ohne Einbeziehung von Bundestag und Bundesrat. Darin sahen die rot-grün regierten Bundesländer Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein sowie die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen einen Verfassungsbruch. Doch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wies entsprechende Klagen ab.

„Ich bin froh, dass der Gerichtsentscheid positiv ausgefallen ist“, meinte Verkehrsminister Alexander Dobrindt. „Das ist ein richtiges Signal an die Branche. Ich will das Streckennetz ausweiten, um bestehende Lücken im weiter zu schließen. Dies macht den Feldversuch für die Wirtschaft dann noch attraktiver. Die Fahrten werden auch weiterhin wissenschaftlich begleitet und ausgewertet.“ Am 3. September machte der Minister Nägel mit Köpfen und integrierte neue Strecken in den Versuch. Das Netz für Lang-Lkw hat nun eine Länge von fast 10 150 Kilometern. Rund siebzig Prozent sind davon Autobahnen, dies entspricht über der Hälfte aller BAB in Deutschland. Die Bundesanstalt für Straßenwesen begleitet den bis zum 31. Dezember 2016 laufenden Feldversuch wissenschaftlich.

Die Staatssekretärin des Ministers, Dorothee Bär, zog jetzt bei einem von der Zeitung „trans aktuell“ aus Stuttgart veranstalteten Gespräch mit Praktikern in München-Riem eine Zwischenbilanz des nach wie vor laufenden Feldversuchs – mit positiven Ergebnissen.

Durch den Einsatz der Lang-Lkw spart zum Beispiel die Spedition Ansorge aus Biessenhofen im Allgäu nach eigenen Angaben ein Drittel ihrer Fahrten auf den betreffenden Strecken ein, verbraucht ein Drittel weniger Kraftstoff und drosselt den CO2-Ausstoß ebenfalls um ein Drittel. Auch in punkto Sicherheit muss sich niemand Sorgen machen. Bislang gab es keinen Unfall.

Dennoch stehen mehr als drei Viertel aller Bürger den Lang-Lastwagen mehr als skeptisch gegenüber. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der Allianz pro Schiene, des Automobil-Clubs Verkehr (ACV) und des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Demnach waren 79 Prozent der Befragten gegen eine Zulassung der Gigaliner, nur 17 Prozent dafür. Der Rest antwortete mit „weiß nicht“. Weniger als eine Drittel glaubten, dass durch die Zulassung der langen Fahrzeuge der Lkw-Verkehr insgesamt weniger werde, so ein weiteres Ergebnis der Umfrage. 55 Prozent gehen gar davon aus, dass der Einsatz mit Lang-Lkw zu mehr Verkehr führen werde.

Wissenschaftliche Untersuchungen der Bundesanstalt für Straßenwesen in Bergisch Gladbach kamen dagegen zu einem wesentlich positiveren Ergebnis. Danach wird die Straßeninfrastruktur durch den Einsatz von Lang-Lkw weit weniger belastet als von herkömmlichen Lkw. Dies wird durch die günstigere Achslastverteilung – sieben bis acht statt fünf Achsen – ermöglicht. Die BASt schätzt, dass die Straßenbeanspruchung durch Gigaliner um 30 Prozent je Lkw abnimmt. Da durch zwei Lang-Lkw drei herkömmliche Kombinationen ersetzt werden, sind insgesamt weniger Lkw auf den Straßen unterwegs. Dies habe zur Folge, dass auf den Straßen weniger Staus entstünden und sich ein besserer Verkehrsfluss ergebe.

Der Lang-Lkw sei sowohl für Minister Alexander Dobrindt als auch für sie (beide CSU) ein absolutes Erfolgsmodell, betont Staatssekretärin Bär und weist auf den in diesen Tagen veröffentlichten offiziellen Zwischenbericht zum Feldversuch hin, der durchweg positiv ausfalle und diese Einschätzung bestätige. Gleichzeitig ermuntert die Staatssekretärin auch andere Bundesländer wie Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, dazu, sich an dem Projekt zu beteiligen. Und Minister Dobrindt fügt hinzu: „Ich stelle fest, dass es immer noch Vorbehalte gegen Lang-LKW gibt, die mit den gleichen Argumenten gestützt werden, die wir durch den Praxistest jetzt schon als überholt ansehen können. Der wissenschaftliche Abschluss des Feldversuchs steht zwar noch aus; es zeichnet sich aber schon jetzt ab: Lang-LKW haben für Verkehre auf längeren Strecken einen hohen Nutzen. Wenn sich die bisherigen positiven Ergebnisse weiter bestätigen, werden wir nach Ende des Versuchs und Abschluss der wissenschaftlichen Begleitung aktiv dafür werben, dass Lang-LKW zum festen Bestandteil der Logistikketten werden.“ (ampnet/hrr)

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